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arte-Doku über Speermüll: Die wundersame Reise der unnützen Dinge

Wenn man wie ich im Schatten der Berliner Mauer ostwärts aufwuchs, weiß man, dass im Berliner Umland auf Ostseite einige Mülldeponien dafür reserviert waren, den Müll aus dem Westen Berlins dort zu deponieren. Die Berliner Stadt Reinigung fuhr dann einiges an Müll in die DDR, die DDR lies sich das mit harten Währungen bezahlen.

Der Zugang auf diese Halden war strengstens verboten, die Deponien wurden mitunter von den Grenztruppen bewacht. Zum Ende der 80er versuchten wir als Pubertierende dennoch in dem Schutz der Nacht auf diese Deponien zu kommen. „Um zu gucken“, wie wir sagten. Ein, zwei mal gelang das auch und wir waren völlig überfordert mit dem, was wir da vorfanden. Uhren, in denen nur die Batterien gewechselt werden mussten, Schuhe, an denen nur die Schnürsenkel fehlten, völlig intaktes Spielzeug, was wohl keiner mehr wollte. Alles wurde scheinbar einfach weggeworfen. Da wurde uns augenscheinlich klar, was der Staatsbürgerkunde-Lehrer immer mit „Wegwerfgesellschaft“ meinte, wenn er über die BRD sprach.

Dann kam die Wende und es dauerte keine fünf Jahre und man war selber Teil dieser alles immer schnell verwerfenden Gesellschaft. Man kann schließlich immer alles und meistens sofort verfügbar neu kaufen.

Das fällt mir ein, weil ich gerade diese Doku hier über Sperrmüll sehe, in der alles weggeworfen wird, was eigentlich gar nicht wegwerfenswert ist und was dennoch keiner mehr braucht. Und dennoch kommen welche und holen es sich.

Ein uralter gelber Lieferwagen biegt um die Ecke. Es ist der fünfte Kleintransporter mit polnischem Kennzeichen, der in der letzten Viertelstunde hier vorbeigefahren ist, hinterm Lenkrad ein aufmerksamer Fahrer, der jeden neu herausgestellten Gegenstand taxiert. Denn schon lange landet kaum etwas von dem, was in Deutschland auf den Sperrmüll gestellt wird, tatsächlich auf dem Müll. Der weitaus größere Teil tritt eine Reise an in Richtung Osten. Auch Regina Leupolds Sofa, drei Sessel und ein kleiner Wandteppich verschwinden im Laderaum des Wagens von Piotr Liszcz und Jan Mysliwiec.
Piotr war einer der ersten, der nach Deutschland fuhr, um die Sperrmüllberge zu durchforsten und alles Brauchbare zu Hause zu verkaufen. Inzwischen gehören regelrechte Kolonnen polnischer, ungarischer, rumänischer und ukrainischer Kleintransporter an den Tagen vor der Sperrmüllabfuhr zum Straßenbild in den rheinhessischen Dörfern. „Am Tisch der Reichen werden auch die Hunde satt“, sagt Piotr Liszcz. „Wir sind hier keine Gäste. Wir sind Eindringlinge, nicht Gäste. Keiner lädt uns ein. Wir müssen uns absolut unauffällig benehmen, leise sein, keinen Dreck machen, keinen Alkohol trinken.“ Nicht leicht, wenn das Leben sich zwischen Sperrmüllhaufen und öffentlichen Parkplätzen abspielt, auf denen die Männer die Ware sortieren, essen, Pause machen und in ihren Autos übernachten, bevor es ins nächste Dorf oder nach Hause geht.


(Direktlink)

3 Kommentare

  1. Anonymous7. April 2011 at 20:28

    Sperrmüll muss es heißen :)

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