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Bundesverfassungsgericht entscheidet: „ACAB“ ist nicht strafbar

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(Foto: Pmk58CC BY-SA 3.0)

Das Bundesverfassungsgericht hat heute entschieden, dass das nicht sonderlich charmante Kürzel „ACAB“, welches für „All Cops Are Bastards“ aber auch für „All Cats Are Beautiful“ oder „Acht Cola Acht Bier“ stehen kann, im Regelfall nicht als Beleidigung gilt und als solches von der Meinungsfreiheit gedeckt ist. Das BVerfG hat damit zwei aktuelle Urteile niederer Gerichte gekippt, die wegen der öffentlichen Darstellung von „ACAB“ Angeklagte zu Geldstrafen verurteilt hatten.

Eine Kammer des Bundesverfassungsgerichts hob nun beide Verurteilungen auf, weil sie das Grundrecht auf Meinungsfreiheit verletzten. Zwar sei es möglich, alle Mitglieder einer Gruppe unter einer Kollektivbezeichnung zu beleidigen, so Karlsruhe. Wenn das Kollektiv aber sehr groß ist, sei in der Regel nicht mehr der einzelne, sondern nur noch das Kollektiv gemeint, hier die Polizei als Institution.

Die Gewerkschaft der Polizei findet das erwartungsgemäß nicht so schön:

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) kritisierte das Urteil. GdP-Vorsitzender Oliver Malchow verwies darauf, dass die Abkürzung „ACAB“ nahezu immer in Verbindung mit Gewalt gegen Polizisten stehe. Für seine Kolleginnen und Kollegen sei die Gerichtsentscheidung ein „Schlag ins Gesicht“.
(Tagesschau)

21 Kommentare

  1. Micha24. Juni 2016 at 22:39

    Ich dachte immer es steht für „all children a beauty“. Und wer kann da schon was dagegen haben.

  2. Alex25. Juni 2016 at 01:24

    Erschreckend das für die GdP Meinungsfreiheit ein Schlag ins Gesicht ist.

  3. robotron sömmerda26. Juni 2016 at 14:55

    Daran erkennt man Rassisten, Rassisten haben ein festzementiertes Feindbild und sortieren alle – ohne Unterschied – in dieses ein, wenn sie ein Merkmal des Feindbildes haben. Sei es „Nationalität“, Glauben, sexuelle Ausrichtung, Beruf, Geschlecht, Haarfarbe/Frisur, Nasen-/Körperform, usw.

  4. Alreech26. Juni 2016 at 18:22

    steht in der Tradition des „Soldaten sind Mörder“ Urteils. Kann man sich darüber freuen, muß aber nicht, da es diese Rechtsprechung auch erlaubt ungestraft andere Menschengruppen zu beleidigen, solange sie nur groß genug sind.
    mit z.B. „Rapefugees not welcome“…

  5. Fritz27. Juni 2016 at 10:03

    Und wenn man dann den ersten Teil der Bergündung weiter treibt, könnte man ja auch die Abkürzung für „Neubürger sind doch auch prima“ offen auf dem T-Shirt tragen und auf Wände malen.

    Gestern hab ich übrigens meinen Favoriten gehört:
    „All cunts are beautiful.“

  6. Harry28. Juni 2016 at 00:19

    robotron sömmerda,

    Rassismus hat allerdings immer was mit gesellschaftlichen Machtverhältnissen zu tun. Gaz davon abgesehen, dass „Polizisten“ keine Konnotationen von Rasse hat und nicht naturalistisch verstanden werden kann. Polizist zu sein sucht man sich freiwillig aus und man kann da auch durch ein einfaches Kündigungsschreiben wieder raus. Versuch mal nem rassistische diskriminierten Menschen zu erklären, dass das das gleiche ist, wie die das was er/sie erlebt. Deine Polemik geht finde ich ziemlich ins Leere.

  7. Schlawiner28. Juni 2016 at 02:20

    Keine Ahnung, was die Richter da geritten hat, Radikale jeglicher Couleur dürften sich nach diesem Urteil feixend auf die Schenkel hauen. Ob es wohl bei einem Kürzel wie AJAB eine ähnliche Entscheidung gegeben hätte?

    Letzteres bedeutet natürlich All Journalists Are Beautiful und nicht All Judges Are Bastards, ist doch klar.

  8. Harry30. Juni 2016 at 22:43

    Schlawiner,

    Und weil sich radikale nicht freuen dürfen, ist es ok ihre Rechte einzuschränken? Du hörst dich jetzt auch nciht grade nach dem Super-Demokrat an. Ein Glück, dass die Richter in dem Fall wohl etwas fester im grundrechtlichen Sattel sitzen.

  9. Schlawiner5. Juli 2016 at 00:44

    @Harry

    Mmh, ab welchem Punkt würdest Du wohl Deine Grundrechte eingeschränkt sehen? Vielleicht, wenn Dir Rechtsextreme All Harrys Are Bastards grölend Deinen Schädel eintreten? Um es mit Victor Klemperer zu sagen: Sprache ist verräterisch.

  10. Harry6. Juli 2016 at 00:32

    Schlawiner,

    Ich halte ja personlich garnicht mal unbedingt was von dem Spruch und benutze den auch nicht. Die Sprache ist in dem Sinne „verräterisch“, dass durch den Spruch eindeutig Wut – und nicht unbedingt reflektierte Wut – auf die Polizei ausgedrückt wird. An dem Punkt, wo mir verboten wird, meine Wut auf eine Institution wie die Polizei auszudrücken – auch wenn es vielleicht nicht auf die reflektierteste aller Arten geschieht – würde ich durchaus von einer Einschränkung meiner Grundrechte reden. Das sehen die Richter am BVerG offensichtlich ähnlich.
    Wenn Rechtsextreme mir den Schädel eintreten ist damit mein Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit eingeschränkt- um es mal milde auszudrücken. Du hast mit deinem Beispiel also voll ins Schwarze getroffen: In einem solchen Szenario würde ich meine Grundrechte eingeschränkt sehen.
    Ansonsten liegt dein Beispiel leider voll daneben. „Harrys“ sind weder ein Kollektiv in dem Sinne, dass sie als zusammengehörig verstanden werden können, noch sind sie eine Institution. Das gröhlen von „All Harrys are Bastards“ könnte demnach durchaus als Beleidigung durch ein Gericht geahndet werden. Auch wenn ich bei Beleidigungen nicht wirklich von einem Grundrechtseingriff sprechen würde.
    Ansonsten ist interessant, dass du auf meinen Kommentar sehr unvermittelt mit einer recht drastischen Gewaltphantasie reagierst. Um es mit Victor Klemperer zu sagen: Sprache ist verräterisch.

  11. Schlawiner9. Juli 2016 at 04:30

    Puh, wie auch immer, bis heute finde ich die Goldene Regel recht praktisch… ;) Wie siehst Du das?

    P.S.: ›Ansonsten ist interessant, dass du auf meinen Kommentar sehr unvermittelt mit einer recht drastischen Gewaltphantasie reagierst. Um es mit Victor Klemperer zu sagen: Sprache ist verräterisch.‹

    Diese Polemik – wenn nicht gar diesen Sophismus – hättest Du Dir echt sparen können.

  12. Harry10. Juli 2016 at 19:00

    Harry,

    Finde die goldene Regel auch gut. Wenn eine Polizist*In findet, dass z.B. Linke scheiße sind, finde ich es gut, wenn sie das sagen darf, unabhängig davon, dass ich diese Person dann wahrscheinlich für einen Trottel halte. Und wenn jemand Polizisten scheiße findet sollte das auch gesagt werden dürfen.

    Die süffisant vorgetragene Vorstellung, dass mir eine Gruppe Nazis den Schädel einschlägt hättest du dir auch sparen können. Hast du aber nicht.

  13. Schlawiner10. Juli 2016 at 23:04

    @Harry

    ACAB ist ein unter anderem von Hooligans gern benutzter Schlachtruf. Seine Intention, das Gegenüber herabzuwürdigen, steht dabei für mich außer Frage. Der hier ablesbare Mechanismus tritt in abgewandelter Form auch bei anderen gewaltsamen Auseinandersetzungen auf. Zuerst wird eine Formel entwickelt, die es dem Gewaltausübenden ermöglicht, dem vermeintlichen Gegner sein Menschsein abzusprechen. Danach ist Grausamkeit ein erlaubtes Mittel der Auseinandersetzung. Aus diesem Grund halte ich die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts für falsch. Dabei leitet mich im übertragenen Sinn auch der Satz: Wehret den Anfängen!

    Meine Frage, an welcher Stelle Du wohl Deine Grundrechte eingeschränkt sehen würdest, hatte das Schicksal des französischen Bereitschaftspolizisten Daniel Nivel vor Augen, welcher 1989 von deutschen Hooligans während des Vorrundenspiels Deutschland gegen Jugoslawien in Lens so brutal geschlagen und getreten wurde, daß er bis heute nur noch mühsam reden kann und auf dem linken Auge erblindet ist. Der nachfolgende Hinweis auf den deutschen Germanisten Klemperer bezog sich überhaupt nicht auf Deine Sätze, sondern darauf, daß auch ihm der Mechanismus der Herabwürdigung eines Menschen – bei der Sprache beginnend – aus der Perspektive eines unter den Nationalsozialisten verfolgten Juden sehr wohl bewußt war. Es ist sein Verdienst, in seinem Buch LTI noch ganz andere Zusammenhänge aufgezeigt zu haben.

    Du hast Recht, wenn Du meinst, ich hätte dies von vornherein so oder in ähnlicher Form verdeutlichen müssen, damit es nicht mißverständlich wirkt. Insofern wundere ich mich im Nachhinein auch nicht, warum Du die entsprechenden Sätze als süffisant empfandest.

    Es würde mich freuen, wenn Du nun etwas besser verstehst, warum ich Deine Meinung zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht im vollen Umfang teile.

    P.S.: Nur, um neuerlichen Mißverständnissen vorzubeugen: Ich weiß um Polizeigewalt und entschuldige sie nicht. Mir ist auch der Einsatz von Agents Provocateurs bekannt, welcher beispielsweise während des G8-Gipfels auf einer Rostocker Demonstration aus meiner Sicht nachgewiesen werden konnte, hinterher jedoch von den involvierten Behörden bestritten wurde. Dies entschuldige ich ebensowenig.

  14. Schlawiner10. Juli 2016 at 23:17

    Sorry, Fehler: während des G8-Gipfels 2007 auf einer Rostocker Demonstration

    So ist’s vollständig!

  15. Harry18. Juli 2016 at 12:59

    Schlawiner,

    Ja das macht es um einiges deutlicher. Ohne den Kontext hat die von dir geschilderte Situation für mich wie eine aus der Luft gegriffene Gewaltphantasie gewirkt, die in solchen Diskussionen in der Regel nicht zufällig kommen. Ähnlich wie Martin Walsers „Tod eines Kritikers“ eine ziemlich eindeutige Mordphantasie gegen Marcel Reich-Ranicki ist.

    Ich geb dir recht, dass Gewalt schon bei Herabwürdigungen beginnt und letztere ersterer in der Regel vorausgeht. Auch das der Ausspruch „All cops are bastards“ so benutzt wird stimmt sicherlich. Ein Verbot halte ich aber trotzdem nicht für Sinnvoll.
    Zum einen sind die Probleme z.B. bei Hoologans anders gelagert als das dieser eine Spruch den Unterschied machen würde. Sie würden wahrscheinlich schlicht andere Sprüche finden. Zweitens sind solche Sprüche meiner Meinung nach auch nicht ursächlich für die Gewaltbereitschaft gegenüber Polizist*innen oder den Fans der gegnerischen Mannschaft. Ohne mich zu intensiv damit beschäftigt zu haben würde ich vermuten, dass ein verkorkstes Männerbild und die psychischen Dynamiken der Massenbildungen beim Fußball da entscheidendere Faktoren für die Gewaltaffinität bilden.
    Ich glaube also, dass ein Verbot dieses Spruchs das Problem nicht lösen und wahrscheinlich nicht mal wesentlich beeinflussen würde.
    Drittens denke ich, dass der Spruch wie oben auch schon gesagt auch dem Ärger und der Wut gegen polizeiliche Maßnahmen Luft verschafft. Ich glaube nicht, dass das zwangsläufig zu blinder Gewalt gegen Polizist*innen führt. Zum Teil äußert sich das in Angriffen auf die Polizei als Institution (also z.B. auf Gebäude oder Gegenstände), wobei ich da denke, dass da, wo Gegenstände angegriffen werden, dies auch bewusst geschieht also auch bewusst keine Menschen angegriffen werden sollen. Zum aller größten Teil bleibt es aber dabei sich verbal Luft zu machen, im besten Fall fangen Leute an ihre Wut produktiv zu nutzen und sich z.B. für eine Kennzeichnungspflicht für Polizist*Innen oder andere Maßnahmen einzusetzen, die Polizeigewalt eindämmen oder die Opfern ebendieser zu unterstützen.
    Ein Verbot hätte also meiner Meinung nach auch den Effekt, dass Wut und Ärger über die Polizei nicht mehr frei geäußert werden können. Man müsste sich ja auch hüten bei Aussagen, die unter die selbe Argumentation fallen könnten.

    Anyway: Schön, dass wir es noch hin zu einer produktiven Diskussion hier geschafft haben. Das freut mich tatsächlich sehr :)

  16. Schlawiner28. August 2016 at 03:27

    Ich weiß nicht so recht, ob es hier wieder einmal um die orwellsche Formulierung aus seinem Buch Farm der Tiere geht: Alle Tiere sind gleich. Aber manche sind gleicher als die anderen.

    Ich bin raus!

  17. Harry29. August 2016 at 11:39

    Schlawiner,

    Naja, das finde ich jetzt ein bisschen dünn. Schade.
    Der Unterschied ist doch, dass das eine eben auch ein Institution ist. Für den Staat gelten grundsätzlich andere Regeln als für die Bürger*innen und das ist ja auch gut so. Polizist*innen sind eben nicht „nur“ Menschen sondern immer auch Vertreter*innen der Institution und müssen damit rechnen stellvertretend für die Institution angesprochen zu werden.
    Es geht insgesamt also um eine Abwägung zwischen Persönlichkeitsrechten (nicht beleidigt werden) auf der einen Seite und dem Recht auf freie Meinungsäußerung (insbesondere ggü. staatlichen Institutionen) auf der anderen. Das BVerG hat entschieden, dass letzteres in diesem Fall höher zu bewerten ist.
    Mit Orwell hat das nichts zu tun. Der Verweis wirkt für mich eher wie eine nichtssagende Plattitüde, die man benutzt um nicht Position beziehen zu müssen. naja. Dein Bier.

  18. Mein Senf11. September 2016 at 23:39

    Plattitüde? Orwell: Dein Bier? Der Ausgangspunkt war: Keine Ahnung, was die Richter da geritten hat, Radikale jeglicher Couleur dürften sich nach diesem Urteil feixend auf die Schenkel hauen. Stimmt das etwa nicht?

  19. Harry12. September 2016 at 15:45

    Mein Senf,

    Ob sich irgenwelche Leute, deren Ansichten man (z.T. begründet) ablehnt über ein Urteil freuen oder nicht ist kein Maßstab für Richterliche entscheidungen. Was die Richter da geritten hat? Der Rechtsstaat vielleicht?

  20. Mein Senf13. September 2016 at 00:41

    Geht doch. Danke! :)

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