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Frau Schmidt and the Mongolian Racer

Leben in der Mongolei. Schräg über uns wohnte damals dieses alte Ehepaar, die schon aus der DDR heraus in die nach Orient duftenden Länder dieser Erde reisen durften. Ich weiß weder genau, was er damals tat, noch was sie arbeitete. Ich glaube, sie verdiente ihre Alu-Chips mit Klavierkonzerten – sie übte täglich über meinem Zimmer. Es klang toll. Dennoch mochte ich ihn nicht – sie waren als Paar irgendwie „komisch“. Und sie waren die einzige Familie, die im Aufgang über ein Telefon verfügte, was, wie wir später erst erfuhren, ein Zeichen dafür war, dass sie ganz besondere Beziehungen zum Staatsapparat der DDR unterhielten, wenn ihr versteht. Außerdem hatten sie eine Sommerresidenz direkt im Schatten der Grenze, was einiges aussagt, da es nur mit Sondergenehmigung zu besuchen war. Die Bude war größer als ihre Wohnung, aber da waren sie nur im Sommer.

Er war ein „Arsch“, wie wir ihn damals gerne schon nannten, sie war sein diametraler Engel, sie schmierte uns Schinkenstullen, wenn wir mal den Schlüssel vergassen und im Hausflur darauf warteten, dass jemand der Eltern von der Arbeit kam, um uns rein zu lassen. Die Stullen schmeckten gut. Danach spielte sie uns etwas auf ihrem Klavier vor. Alles was wir hören wollten, auch wenn es aus dem Westradio bekannt war. Sie kannte das und konnte das spielen. Ich habe sie ewig (im Sinne von ewig) nicht gesehen und frage mich häufig, wie es ihr wohl ergangen ist, als dann alle Telefon und bunte Fernseher hatten. Ich würde sie gar fragen, wenn ich wüsste ob sie noch lebt und wo sie denn ist.

Wie auch immer – die beiden reisten zu Beginn der 80er damals durch die Mongolei. Als DDR-Bürger! Die Faszination daran verstehen hier wohl nur die wenigsten, aber die beiden waren damals so was wie Exoten. Ossis in der Mongolei. Sie brachten allerhand Dinge mit, die ich mir von ihr immer zeigen lies, wenn ich den Schlüssel vergass und wenn er nicht da war. Dschingis Khan und so Jungen-Träume. Sie konnte viel darüber reden, die Frau Schmidt. Ich hörte ihr gerne zu.

Als ich eben dieses Video sah, musste ich an sie denken. Und der Haselnuss-Strauch, den sie in den 70ern vor unseren Aufgang pflanzte, steht immer noch und wächst.


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