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Nicolas redet mit einem Junkie

Ich tue mich immer eher schwer mit Podcasts. Nicht, dass ich Menschen nicht zuhören könnte, aber das ist schon mein Job und den mache ich sehr gerne. Wenn ich dann die Zeit habe, die danach nicht verlangt, lasse ich das lieber und sende eher als das ich empfange, was so ein Podcast ja voraussetzen würde.

Wie auch immer, dieses Gespräch, was Nicolas mit einem Junkie irgendwo in Berlin geführt und aufgenommen hat, habe ich bis zum Ende gehört. Es erinnerte mich an einen Morgen, den ich während meiner ersten Ausbildung im Handwerk im Berlin der 90er mal erlebt habe. Ich kam in den U-Bahnhof Yorckstraße und ein älterer Obdachloser schnorrte mich an. Ich sagte ihm, dass ich ihm was geben würde, aber ich würde gerne mit ihm sprechen wollen. Darüber, wie er in die Lage geriet, in die er dort gerade ganz offensichtlich zu stecken schien. Ich kaufte uns einen Kaffee und ihm ein Croissant und wir sprachen. Lange. Ich kam elendig zu spät. Aber dieser Morgen veränderte meine Sicht auf diese Stadt, auf dieses Land, auf diese Welt. Für immer. Ich muss bis heute häufig daran denken. Es war ein Schlüsselmoment. Er saß da, schaute mich mich mit einem Glasauge an und ich musste ihm in dem Moment einfach glauben, dass er für diese, für ihn beschissene Lebenssituation, primär nicht mal verantwortlich war. Ich glaube ihm auch heute noch, auch wenn die Umstände ganz andere waren, als bei diesem Mann, einem Junkie, den Nicolas hier auf der Straße anspricht und der leider namenlos bleibt. Ich lies ihm damals alles Geld da, was ich dabei hatte, verschwand und sah ihn nie wieder.

Das so ganz frei von Effekthascherei durchzuziehen, wie Nicolas das hier tut, nötigt mir jeglichen erdenklichen Respekt habt. Das ist so voller Empathie. Und dafür will ich ihm danken. Ernsthaft. Und auch, wenn ich sonst immer versuche alle mp3s so zu grabben, dass ich die hier direkt einbinden kann, will ich es hier gar nicht erst versuchen – geht darüber und hört es bei ihm.

Und auch wenn er es wahrscheinlich nicht hören mag, was einem am Ende am Leben hält ist auch im denkbar schlechtesten Fall immer noch die Hoffnung. Und wenn es in so einer Situation die sei, irgendwann mal ein Boot haben zu können. Ein Boot mit dem man dann Touristen zum Angeln schifft. Das ist für den hier Namenlosen die träumerische Perspektive. Die letzte vielleicht. Eine, die sich wahrscheinlich für ihn nie umsetzen lassen wird. „Ich warte auf die Leute, die nicht vorbeigehen.“

4 Kommentare

  1. Mike14. November 2012 at 10:53

    Super Interview. Danke!

    Hoffe, auf mehr in diesem Format und gern abbonierbar via iTunes / Instacast oder so.

  2. Alex14. November 2012 at 11:08

    @Mike

    Ist doch abbonierbar. Auf der Seite stehen rechts die feed Adressen. Der obere hat zwar noch kein iTunes thingy neben sich, aber die URL kannst du ja genau so in iTunes reinwerfen.

    Kann mich ausserdem deiner Meinung nur anschließen. Ich hab erst beim Hören noch anderen Kram erledigt und merkte dann schnell: Nee, hier musst du einfach aufmerksam zuhören, anstatt sich nebenbei davon berieseln zu lassen.

  3. dergerd14. November 2012 at 16:37

    ach der feine Herr Semak, immer wieder gern gehört

  4. […] sind sie eine Bevölkerungsgruppe, die weder eine Stimme, noch, eine mir bekannte, Lobby hat. Das Kraftfuttermischwerk hat in seiner Rezension beschrieben, wie sehr ihn ein Gespräch mit einem Obdachlosen verändert, […]

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