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Die GEMA kassiert für eine Veranstaltung, auf der einzig CC-Musik lief

Im April diesen Jahres spielte ich auf der Veranstaltung „Connected by Netaudio“ in Weimar, die von Jan Stern alias audite im Zuge seiner Diplomarbeit veranstaltet wurde. Es gab im Vorfeld die nachdrückliche Bitte von Jan, dass wirklich nur unter Creative Commons veröffentlichte Musik in dieser Nacht zu spielen sei. Das machte es mir als DJ nicht sonderlich leicht, weil ich Musik ungern derartig kategorisiere, aber ich sagte zu und spielte dort. Wie von Jan gewünscht einzig unter CC lizensierter Musik. Soweit ich das beurteilen kann, hielten sich auch alle anderen der spielenden DJs an diese Vorgabe, gehörte diese schließlich zum Konzept der Veranstaltung.

Ich verbrachte noch den nächsten Vormittag in Weimar und fuhr wieder nach Hause.

Ein paar Wochen später bekam ich eine Mail von Jan, in der er um die konkrete Tracklist meines Sets von diesem Abend bat, da er diese für die GEMA bräuchte, die nun aufgrund der „GEMA-Vermutung“ Lizenzgebühren für diesen erhob. Er brachte ein, dass das ja unsinnig sei, da keiner der gespielten Tracks in Urheberschaft eines GEMA-gemeldeten Künstlers läge. Die GEMA aber wäre nicht die GEMA, wenn sie sich damit zufrieden gegeben hätte und forderte (natürlich) weiterhin eine ordentlich Summe Geld in Höhe von 200 EURO. Jan sollte jeden an diesem gespielten Track einem Urheber zuordnen – und zwar dem jeweiligen Klarnamen, wie eine Mail deutlich macht.

Bezogen auf das Telefonat vom 26.09.2011 teilen wir mit, dass – wie bereits schon dargelgt – eine Prüfung der eingerichten Titellisten nur mit Angabe der bürgerlichen Namen der Urheber und deren Titel erfolgen kann. ES ist zwar möglich, dass ein Mitglied auch unter einem Pseudonym registriert sein kann. Zur Beantragung der Mitgliedschaft ist jedoch stets der bürglerliche Name anzugeben.

Wir verweisen an dieser Stelle nochmals auf die GEMA-Vermutung und fügen eine Information zu dieser Thematik als Anlage bei.

Jan recherchierte daraufhin einige der Urheber, aber eben nicht alle. Wenn man sich vorstellt, was in einer Zeit von gut acht Stunden so an einzelnen Tracks über einen Dancefloor geht, ist das durchaus nachvollziebar, kommt man doch dabei auf locker 100 Tracks. Diesen sollten nun alle den bürgerlichen Namen der Produzenten zugeordnet werden, die zusätzlich dazu auch erstmal noch recherchiert werden müssten. Gemessen daran, dass Netaudio eine sehr internationale Angelegenheit ist, die zudem manchmal mit Infos dieser Art eher geizig umgeht, eine fast unmöglich zu erfüllende Aufgabe. Dazu kommt, dass viele der einstigen Netlabels nicht mehr existieren und die Kommunikationswege zu den Künstlern deshalb abgeschnitten wurden.

Alles kein Problem der GEMA, die beharren trotzdem auf ihrer Forderung und das obwohl nach persönlicher Aussage „des stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzende der GEMA, Frank Dostal (im Jahr 2009 gegenüber Jan, Anm. Ronny) , dass sehr wohl auch die Künstlernamen bei Ihnen gelistet sind, selbst wenn die Urheber ihre bürgerlichen Namen angeben müssen.“, wie Jan nach einigem hin und her der zuständigen Sachbearbeitung zu erklären versuchte. Das half alles nichts.

Jan vermutet folgende Beweggründe, wie er in einer Mail an die GEMA schrieb:

Ihnen mangelt es einfach in beiden Fällen an Wille und Interesse, Ihre
Listen mit den von mir zur Verfügung gestellten Angaben abzugleichen. Stattdessen berufen Sie sich immer wieder auf die GEMA-Vermutung, die Ihnen das Recht gibt, jede Musikveranstaltung unter Generalverdacht zu stellen GEMA-Repertoire aufzuführen, wobei im Falle eines Widerspruchs die Beweispflicht allein beim Veranstalter liegt. Ich möchte an dieser Stelle anmerken, dass es sich hierbei zwar um eine generelle Klausel handelt, diese Sie jedoch nicht gleichermaßen dazu berechtigt, sich jeglicher Kommunikation zu entziehen. Es ist mir unerklärlich, wie Sie selbst jeglichen Arbeitsaufwand von sich weisen, sich mit Antworten unverhältnismäßig lange Zeit lassen und stattdessen vom Veranstalter verlangen, alle bürgerlichen Namen der Urheber (und sicherlich auch Geburtsdatum und Wohnort) innerhalb kürzester Zeit zu recherchieren.

[…]

Die GEMA-Vermutung mag Ihnen Recht geben. Mit Gerechtigkeit hat dies allerdings rein gar nichts zu tun. Spätestens seitdem es für eine breite Masse möglich geworden ist, zu Hause am eigenen PC Musik zu produzieren und diese über klassische Wege, also auf Tonträgern oder
eben auch über das Internet in MP3-Form zu vertreiben, ist die Annahme, der Großteil aller Musiker sei bei der GEMA organisiert, erneut zu prüfen und entsprechend anzupassen.

Um weiterem Ärger zu entgehen und auch weil Jan weder die Zeit noch die Möglichkeiten hat, dem Verlangen der GEMA nachzukommen, hat er jetzt also für eine Veranstaltung auf der einzig unter Creative Commons lizenzierte Musik gespielt wurde, Geld an die GEMA gezahlt.

Warum ich das schreibe: weil ich damit als CC-Musiker Geld in die Kassen der GEMA bringe und weil ich das für äußerst paradox halte.

[UPDATE] Weil das hier vielleicht missverständlich ist, oder nicht ganz deutlich aus dem Text hervorgeht, hat Jan das eben noch mal in die Kommentare geschrieben:

noch mal für alle: ich habe die gema im vorfeld der veranstaltung angerufen, ihr den speziellen charakter der veranstaltung erklärt und sie vor der veranstaltungsdurchführung schriftlich ordnungsgemäß angemeldet.
nach der veranstaltung habe ich eine musikliste mit künstler-, titel- und labelangabe zur gema geschickt. sie konnten/wollten sie nicht bearbeiten. dafür sind die bürgerlichen namen, wohnorte und geburtsdaten (um verwechslungen vorzubeugen) nötig. diese kann ich nur schwer bei allen titeln herausfinden. neben der tatsache, dass viele labels nicht mehr existieren, die files teilweise nur noch auf archive.org zu finden sind u manche vielleicht auch gar nicht ihre namen raus geben wollen, stellt dies einen unverhältnismäßigen arbeitsaufwand dar.
ich habe dann von allen titeln die downloadlinks heraus gesucht, bei denen die gema jedesmal sehen kann, dass die titel unter cc lizensiert sind. alleine das müsste als indiz langen, da die gema ja solche vorgehensweisen für ihre künstler meines erachtens verbietet.

[Update 2] Franco Walther von der GEMA kommentierte eben folgender Maßen:

Guten Tag zusammen,

wie im Artikel-Update erwähnt, hat die Bezirksdirektion Dresden die Titelliste, die die Künstler bzw. Interpreten enthält, deren Stücke an dem Abend gespielt wurden, erhalten. Diese konnte leider nicht überprüft werden, da Interpreten oft nicht identisch mit den Urhebern sind. Die GEMA benötigt jedoch die an den Titeln beteiligten Urheber. Daraufhin wurde vom Veranstalter eine Liste mit vier Urhebern übermittelt. Leider reicht die Nennung von lediglich vier Urhebern allein nicht aus, um von einer GEMA-Freiheit aller Werke auszugehen. Wir hoffen allerdings, die Unklarheiten bei einem persönlichen Gespräch ausräumen zu können, das in den nächsten Tagen stattfinden wird.

276 Kommentare

  1. Janosch9. Dezember 2011 at 19:25

    Warum nicht mal die GEMA fragen, ob sie eine Liste aller von ihr vertretenen Künstler zur Verfügung stellt? Darauf könnte mann dann ja alle ankreuzen, die man gespielt hat (in diesem Falle „null“). Das fände ich einen sehr schönen Service der GEMA ; -))

  2. audite20. Dezember 2011 at 16:51

    Die Gema konnte bei der erneuten Prüfung der Musikfolge kein GEMA-Repertoire feststellen und somit bekomme ich mein Geld zurück!

  3. virtualmono20. Dezember 2011 at 19:03

    Na das sind doch wenigstens mal gute Nachrichten zum Jahresende :-)

  4. Nathan22. Dezember 2011 at 15:33

    Was ist die Gema eigentlich für ein Scheissladen?

  5. […] auf der ausschließlich CC-lizenzierte Musik gespielt wurde und weil die GEMA so ist, wie sie ist, kassiert sie beim Veranstalter Gebühren für Musik, deren Rechte sie nicht verwaltet. Ein weiteres Beispiel dafür, wie sehr die Verwaltungsapparate aus dem letzten Jahrtausend nicht […]

  6. Steffen19561. Februar 2012 at 20:58

    @Rawling
    @Rawling:
    Deine Zweifel sind berechtigt: Die Angabe „pro Bluray-Rohling 3,473 Euro (!) an die GEMA“ ist völliger Unfug! Wer das in die Welt gesetzt hat, ist mir schleierhaft. Wenn es wirklich eine GEMA-Abgabe 3x so hoch wie der Endverbraucherpreis pro Bluray-Rohling geben würde, möchte ich den Hersteller sehen, der sie dann noch produzieren und vertreiben würde… ;-)

  7. Steffen19561. Februar 2012 at 21:08

    @jens
    Wenn Ihr nur 4 Komponisten namentlich benennen könnt, aber 100 Tracks gespielt habt, sind Zweifel berechtigt. Ich habe es erlebt, dass Tracks von mir als angeblich GEMA-frei gespielt wurden (wurden irgendwo als File aus dem Netz gezogen und einfach so weiter verarbeitet). Und ich kenne Clubbetreiber, die mir sagen „ach, da schreiben wir einfach IMMER GEMA-frei auf die Musikliste, das ist egal von wem das ist“. So sieht´s aus, Freunde der leichten Muse.
    Die Clubbetreiber steigern mit Musik ihren Umsatz (verkaufen mehr Tickets, mehr Drinks) und oft sollen wir Komponisten leer ausgehen. Dafür ist „unsere GEMA“ da, damit sie unsere (= wir Komponisten) vertritt, weil das ein einzelner Komponist in einer digitalisierten, globalisierten Welt nicht selbst leisten kann. Die GEMA sind wir einzelne Künstler, wir individuelle Komponisten.
    Ich finde es ärmlich in Unkenntnis nur drauf zu hauen.

  8. Steffen19561. Februar 2012 at 21:29

    @Nathan
    Die GEMA ist kein „Scheissladen“, sondern ein Verein, der darauf schaut, dass nicht Hinz und Kunz unsere Musik verbrät, ohne dass wir Komponisten was dafür bekommen. Wenn es die GEMA nicht gäbe, könnten viele Komponisten (besonders die „kleineren“) nicht von ihrer Musik leben. Sie vertritt unsere Interessen gegenüber den Werknutzern (= Kneipen, Radio-/TV-Stationen etc. etc.).

  9. paulpezerhansherbert1. März 2012 at 18:13

    Hm… ist „Klarname“ des Urhebers in diesem Fall nicht schlichtweg für alle Tracks „keiner / entfällt wegen CC Lizenz“?

  10. audite1. März 2012 at 19:43

    das musste ja erst mal beweisen, dass der track cc-lizesiert ist UND nicht bei der gema is

  11. koma8. Mai 2012 at 15:08

    @steffen1956…“die gema ist ein Verein“??? aha…ein verein der im jahr 130millionen plus macht..soso…also ist die mafia dann auch ein „verein“???

  12. wolfgang17. Juni 2012 at 22:15

    @koma
    die GEMA kann gar keinen Gewinn machen, sie ist Träuhänder der Rechteinhaber und schüttet sämtliche Einnahmen abzüglich ihrer Verwaltungskosteen (ca. 12 %)an die Künstler aus.

  13. GEMA verklagt Musikpiraten26. Juni 2012 at 13:30

    […] Aufgrund der umstrittenen GEMA-Vermutung beansprucht die GEMA demnach die Verwertungsrechte für den Titel. Diese Praxis hat in der Vergangenheit schon wiederholt für Unmut gesorgt, da sie es faktisch unmöglich macht, mit angemessenem Aufwand z.B. eine Abendveranstaltung ausschließlich mit CC-Musik durchzuführen (vgl. Artikel Kraftfuttermischwerk: Die GEMA kassiert für eine Veranstaltung, auf der ausschließlich CC-Musik lief). […]

  14. Fuego2. Juli 2012 at 06:57

    @wolfgang

    12%? Hahaha. Erst schlau machen, dann posten!

  15. […] weit zur gema-vermutung. ich muss zugeben, hier nicht komplett in dem thema drin zu sein, beim kraftfuttermischwerk gab es letztes jahr mal eine geschichte, über die ich noch immer den kopf schütteln muss. aber […]

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