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Autor: Ronny

Die Sache mit dem HipHop

Vor Jahren war ich mal auf einer Vortragslesung von Klaus Farian, bei der es erst um Jugendkulturen im Allgemeinen, später dann um die Onkelz, um den Skinhead-Kult, die Punk-Ära und zu guter letzt um HipHop ging. Ich fand diesen Vortrag äusserst interessant, zumal Farin offensichtlich genau wusste, wo von er da redete. Vieles was zur Sprache kam, war mir nicht neu aber dennoch hatte ich Gefallen daran, ihm zu zu hören. Nur das Techno als Subkultur der Neunziger gänzlich an ihm vorbeigegangen war, fand ich irgendwie bedenklich, finde ich heute noch.
   Nachdem das alles durch war und man über die letzten Zuckungen des Punks sprach, machte er einen Schwenk auf HipHop und meinte, dass eben genau dieser „die neue Punkkultur sei. Nur eben anders.“ Ich fand das damals irgendwie logisch. Ich dachte an Advanced Chemistry, Anarchist Academy, Too Strong, Fresh Familee und alle die anderen HipHop-Combos der Neunziger, die ich noch richtig gut fand. Ich mochte, die kritischen Texte, die sich gegen all das aufwarfen, was ich damals auch nicht mochte: staatlich geduldeten Rassismus, die Rechtsradikalen, die sich im Osten ausbreiteten, als wollten sie der Pest Konkurenz machen, die Probleme der Migrantenkinder in den Vorstadtplattenbauten, die Schwierigkeiten der Integration und eben den sprachlich konkreten, auf den Punkt gebrachten Umgang damit. Ohne Blume vor dem Mund. Gerade auf die Fresse des geneigten Zuhörers. Das Subversive daran imponierte mir sehr und ich fand, dass daraus was ganz Großes werden könnte. Werden würde. Ich hoffte, die könnten was bewegen in den Köpfen der Jungen und fand es klasse, dass die Eltern es nicht hören mochten. Nicht nur wegen dem Slang, den sie nicht verstanden, sondern auch wegen den deutlichen Worten, die sie nicht hören wollten, die sie für übertrieben und total realitätsfern hielten. Im Rückblick also all das, was erst dazu taugt, eine Jugendkultur zu einer solchen auch werden zu lassen. Den Abstand und die Ablehnung der Alten.
   In diesem Kontext fand ich den Vergleich zum Punk treffend und hatte das auch lange verinnerlicht. Es ging um etwas im HipHop. Bei einigen zumindest. Es ging gegen das System, um die miese gesellschaftliche Stellung von Minderheiten, gegen die „Bullen“, gegen die Bürgerlichkeit und gegen all jene Leute, die dabei stillschwegend zusahen. Ganz nebenbei ging es dann auch noch um eine große Portion Spass mit einem Joint in der Hand. Die Parallelen zum Punk waren also nicht mal so abwegig, fand ich, auch wenn der Beat ein anderer war und man sich die drei geschrammelten Akkorde gerne gespart hatte. Die Zeiten waren eh vorbei – so oder so. Klar, gab es auch damals schon dieses ganze Battle-Gedöns und Leute, die über Länge ihrer Geschlechtsteile sangen aber es waren nur wenige und wenn man wollte, kam man ohne weiteres an ihnen vorbei.
   Heute ist das anders. Heute stehen viele von denen, die noch in der Lage dazu waren, auch Inhalte zu vermitteln, nicht mehr hinter den Mics. Sie überlassen all jenen das Feld, die nur noch zu erzählen haben, wie lang ihrer sei, wie mächtig und vor allem wie potent. Sie reden über „Schlampen“, über das Töten und das zerstückeln, über die Achtmillimeter, die sie angeblcih im Schrank haben, über die Schwulen, die sie „hassen“, über die Minderheiten, die sie kotzen lassen und das ganze andere Zeug, was ihnen keiner abnimmt, außer sie sich selber vielleicht. Kurz um: Sie feiern sich, ihren Schwanz und ihre omnipotenten Eier kontinuirlich selber. Zwischendurch erzählen sie auch was aus ihrem Viertel und verkaufen das dann noch als Gesellschaftskritik, was nicht weiter schlimm wäre, wenn es denn Hauptmerkmal ihrer verbalen Info wäre. Ist es aber nicht. Darum geht es nur am Rande. Klar, gibt es auch noch gute Texte aber es sind nur noch wenige und wenn man ganz genau hinhört, kommt man (leider) ohne weiteres an denen vorbei.
    Es geht scheinbar nur noch darum zu schockieren. Die Eltern, die Lehrer und all jene, die sich so Gedanken um das machen, was junge Menschen sich akustisch anzutun bereit sind. Das funktioniert ohne weiteres, keine Frage, denn wenn jemand damit beschäftigt ist, darüber zu singen, wen er alles unter die Erde metzeln will und wie viele Bitches er wieder einmal „erst in den Arsch und dann in den Mund gefickt“ hat, geht einem die rote Lampe auf dem Kopf an. Da ist nichts mehr mit Subversivität. Es ist verdammt vulgär, homophob, sexistisch, menschverachtend, und ja, auch manchmal schon besonders ekelhaft. Man kann sich das nur schwer antun, wenn man auch die Postpubertät schon lange hinter sich gelassen hat. Es tut weh. Der Punk ist raus. Es geht um nichts mehr, außer um sich selber und um seine „Atzen“.
   Das alles wäre nicht weiter bedenklich. Das alles gehört halt auch so zu einer Jugendkultur, auch wenn mir die Bewegründe dazu immer noch nicht ganz schlüssig sind. Aber es wirft zweierlei Probleme auf. Erstens führt das Ganze zu einer gesellschaftlichen Diskussion, die sich wie so oft über die Zielgruppe erhebt, die sich wie so oft darüber fetzt, was denn nun gut für die jungen Menschen wäre, und was eben nicht. Das widerum lädt die mitunter dümmlichen Protagonisten dazu ein noch viel dümmliche Kommentare von sich zu geben, in denen sie beteuern, es ginge ihnen doch nur darum, „Themen zu überspitzen um dafür zu sorgen, das sich die Zielgruppe damit auseinandersetzt und sich Gedanken darüber zu machen“. Super, vergessen doch die Meisten dabei, das sie über 13-17jährige reden, die eben genau die Shice täglich hören. Von denen erwarten sie, dass die sich damit auseinander setzen, das die das alles reflektieren, was sie sich da in die Birne schieben. Klar, klingt immer sehr gut, nur wurde schon zu oft gehört, um das es noch glaubhaft klingt. Schließlich machen die Möchtegernpimps – gemessen am Alter der Zielgruppe – Musik für Kinder, Kindermusik quasi und die sollten ganz andere Intensionen haben, wenn sie Musik hören, als sich mit dem „Schwanz, der deine Mutter gefickt hat“ auseinanderzusetzen. Das verlangt wohl sicher keiner wirklich von denen. Es geht um Geld, wie so oft im Business und selbst Rappern, denen man nicht mehr als den Sechsten-Klasse-Abschluss abnehmen möchte machen ihr Studium nebenbei, was darauf schliessen lässt, dass sie so dämlich nicht sein können, zu glauben, man würde ihnen ihre Reflektionstheorie abkaufen. Nur sie haben einfach nicht die Eier, zuzugeben, dass es schlichtweg nur um Kohle durchs Schockieren geht. Sie sind sowas von „Underground“ und so. Vergesst es!
   Das zweite und wohl schlimmere Problem allerdings dürfte wohl sein, dass sich nun auch mal wieder gestandene Mannsbilder hinstellen und erklären wollen, warum denn dieser HipHop doch was ganz großartiges sein soll, warum er denn nun anders und eben auch gut sein soll für den jugendlichen Hörern. Es gibt wohl nur wenig, was noch peinlicher ist, als ein solches Verhalten. Wenn Leute, die locker doppelt so alt sind wie jene Musiker, ein Gutheißen aussprechen über den Sinn der Musik, die die jungen Schocker ins Micro labern, über die Möglich, -und die Nötigkeit der Reflektion eines Textes, der für 15jährige geschrieben wurde, dann tut es fast weh. Man macht eben genau das, was die eigenen Eltern auch gemacht haben. Man beraubt die Jugendlichen der Musik, die eben nur für sie geschrieben wurde. Man nimmt ihnen die Identifikationsfläche, die sie nur für sich beanspruchen, die sie zweifelsfrei auch brauchen. Man findet ihre Musik toll. Weil die „Skillz“ so geil, die Beats so fresh sind. Beides stimmt nicht wirklich, denn beides wäre, rein qualitativ betrachtet, eigentlich nicht der Rede wert. Alles schon gehört, alles schon gesehen. Aber man macht sich trotzdem gemein, weil man im Alter auch mal wieder für etwas sein will, wo gegen viel andere sind. Die Eltern, die Politiker, die Lehrer. Ganz so wie damals als man selber noch jung war und genau jene schockieren wollte.
   Vielleicht vergessen dadurch einige, dass sie die Schraube für die Kids damit immer fester ziehen. Vielleicht nehmen sie es für die vermeintliche eigene Kuhlness auch in Kauf, dass man es den Jungen damit immer schwerer macht, sich vom Rest der Gesellschaft abzugrenzen, sich selber zu finden. Vielleicht will man auch einmal endlich was zu einem Thema sagen, obwohl man nicht gefragt wurde. So wie ich jetzt, nur eben anders.
   Als mir letztens ein 21jähriger erzählte, dass sein Leben immer HipHop war, er es im Moment allerdings nicht mehr ertragen könnte, das Gefühl zu haben, als mache keiner mehr Texte für ihn und er nun lieber andere Musik hören würde, so ohne „Fotzen, Bitches und dicken Schwänzen“, da fiel mir ein, dass HipHop für mich mal engetreten war, um das Erbe des Punks anzutreten. Diese Zeit und der damit verbundene Gedanke ist für mich vorbei.
Schade eigentlich.

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Auf den langen Gängen im Rathaus Spandau riecht es genauso wie in den alten großen Gebäuden damals unter den Eichen in Zehlendorf, die den amerikanischen Alliierten gehörten und in denen ich mal gearbeitet hatte. Die Flure in Spandau sind nur noch ein wenig schmuddeliger, vergilbter und allgemein versifter wie die in Zehlendorf vor zehn Jahren – nur dunkler sind sie noch. Die Toiletten sind eigentlich keine, sie sind eine öffentliche Zumutung, wenn man so will. Die Farben sind ähnlich deprimierend grün-grau-irgendwas. Der Geruch aber ist haargenau der selbe wie in diesen Backsteingebäuden in zu jener Zeit in Zehlendorf. In diesen befand sich eine Tierversuchsanstalt.

Als die Sachbearbeiterin mich fragte, „welcher Religion“ ich denn angehöre, sagte ich: „Keiner, ich war Jungpionier.“ Hat sie nicht verstanden.

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Gaz-Wolga


Was habe ich als Kind da gerne mal mitfahren wollen. Aber nein, der einzige Toniwagen, in dem ich mal mitfahren musste durfte, war ein läppischer 353W.
Pffff.

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„Dein Fernseher lügt!“
„Meiner nicht mehr. Nachdem ich ihn 6437 mal ermahnt und ihm gesagt hatte: Du sollst kein falsch Zeugnis reden wider deinen nächsten, ging er gar nicht mehr an.“
„Probier ich auch mal.“

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Es gibt jene, die wollen ihre Soße auf dem Teller immer neben den Kartoffeln. Die sind meistens weiblichen Geschlechts. Es gibt jene, die wollen sie immer obendrauf. Meistens Männer. Dritte widerum haben sie gerne dezent über den Kartoffeln und den großen Rest daneben. Wo genau die allerdings geschlechtlich einzuordnen sind, ist noch nicht ganz klar. Darüber sollte man mal nachdenken.
Voraussetzung zu dieser geschlechtlichen Zuteilung, bei den Vorlieben des Soßenessens, ist natürlich eine äußerst schmackhafte Soße auf dem Teller. Das nämlich verbindet dann doch alle. Neben dem Teller will keine(r) ihre(seine) Soße.

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Fusion Vorverkauf ab 01.12.07

„Und hallo: Ein Ticket ist nicht nur so ein Stück Pappe! Es ist der erste Vorbote des Sommers, der Schutz davor, sich auf der Suche nach einem Geschenk schwitzend in Kaufhausketten rumzuquälen, der Symbolträger zum Übers-Bett-Pinnen, die Parallelweltinsignie auf Omas Häkeldeckchen, der Zugangscode zur Tankstelle für die Seele! Das heißt: Am kommenden Wochenende die Prioritäten verschieben und falls notwendig etwas kürzer treten, dafür lieber den Fahrschein zu eurem Lieblingsfestival sichern.“
(Fusion Newsletter)

Man achte auf das verdammt fetzige Layout(!) für 2008.
Na dann kann die alljährliche Planerei ja wieder mal losgehen.

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