Zum Inhalt springen

Familiensamstag. Puh.

Gestern war es nicht mal 23.00 Uhr und ich war so alle, dass ich mich nicht mal mehr auf den Beinen halten konnte. Ich hatte nicht mal was viel getrunken und wollte nur noch in mein Bett. Was war passiert?

Die Tochter nahm an einem Tanzwettbewerb teil, wie das mal hieß. Heute heißt es Battle und genau so gefährlich wie das klingt, geht es da auch zu irgendwie. Ich dachte im Vorfeld, man fährt auf irgendein Dorf, sitzt mit dreizig anderen Zuschauern in einer ostarchitektonisch geprägten, nach altem Turnschuh riechenden Turnhalle vor einer plärrenden 1,6 KW-Anlage und hofft , das irgendwer gewinnt. Schnell gewinnt. Klar, vielleicht sogar die Tochter. Man fuhr um 7.45 Uhr los. In ein irgendein Dorf, in dem gut 400-500 Leute in einer neuen, streng nach Turnschuh riechenden Turnhalle ausflippten. Auch wegens ihrer Kinder. Klar. Anstatt der plärrenden Anlage jedoch gab es eine fette PA samt Lightshow, gefühlte 20 Tanzcrews, einen Veranstalter, der offenbar mit weitaus weniger Gästen gerechnet hatte, zur Halbzeit war alles, was man hätte zu sich nehmen können, irgendwie alle. Und zu guter letzt den wohl prolligsten Moderator, den rs2 zu bieten hatte. Reißerisch kündigte er alles und jeden an, machte aus seiner Vorliebe für die halbbekleideten jungen Damen auch keinerlei Geheimnis und als er endlich Feierabend hatte, verließ er mit einem Chevrolet, der übersät war mit Aufklebern in Form amerikanischer Flaggen, ganz fix den Parkplatz.

Es wurde getanzt und getanzt und getanzt. Nach vier Stunden wurde mir klar, dass ich im Vorfeld nicht genau wusste, worauf ich mir hier einlies. Ich dachte eher romantisch an meine sportliche Kindheit zurück, in der ich immer irgendwo ein Handballspiel zu gewinnen hatte. Da fuhr man dann hin, machte ein Punktspiel und fuhr wieder nach Hause. Hier aber wollte ein ganzen Bundesland mitspielen und es nahm scheinbar kein Ende. Es war auch irgendwie ein ganz schlechter Einstieg, für den die Veranstalter sorgten. Sie besorgten eine Teenager HipHop-Combo aus Blankenfelde, was ja der Credibility schonmal nicht zu gute kommen kann. Eigentlich hatte ich nach denen schon genug. Aber ich blieb. Wegen der Tochter. Da muss man eben durchhalten. So sah ich mir aufmerksam Mädchen mit Mickey Mouse-Ohren an und welche, die in neongrün-pinken Puschelkostümen – die locker wegen auslösenden Augenkrankheiten verklagenswert gewesen wären – einen modernen Ententanz aufführten. Mir wurde klar, dass der HipHop-Streetdance den die Gruppe der Tochter tanzt, hier schlechte Karten haben würde. Eine Erzieherin in der Jury mag es eben etwas kindlicher lieber. In den restlichen Kategorien, die sich alle nach Alter staffelten, gab es fast ausschließlich Streetdance, der immer gnadenlos die volle Ladung Mainstream-Hiphop als Beschallung mit sich brachte, was mir wirklich schwer zu schaffen machte. Aber ich musste durchhalten, es gab kein Entrinnen.

Als die Gruppe der Tochter im Halbfinale rausflog, war ich einerseits traurig, andererseits sah ich eine echte Chance, hier so schnell wie möglich wegzukommen. Denkste. Die wollten natürlich alle wissen, ob denn nun die Micky Mouse-Ohren oder die Augenkrebsler gewinnen würden, die nebenbei alle um einiges schlechter waren, als die Gruppe der Tochter. Auch klar. So blieben wir und blieben wir bis nach neun(!) Stunden HipHopserei endlich alles klar war. Ich hatte starke Kopfschmerzen und zu rein nichts mehr Lust. Kurz dachte ich darüber nach, dass es mir eigentlich lieber wäre, wenn die Tochter Handball spielen könnte oder so. Das aber verwarf ich schnell wieder – sie mag kein Handball. Für mich war sie und ihre Gruppe Gewinner. Klar, wer setzt auch eine Erzieherin in eine Jury, die die Fähigkeiten von Tanzenden beurteilen soll. Tzzzz. Highlight des Dorfes, war eine Pinte, die sich mit dem Namen „Erikas Bierstube“ auslobt. Ich sah die nicht von innen, aber der Name macht schon ziemlich was her, dachte ich.

Neun Stunden HipHop! Vater sein kann eine furchtbar schwierige Angelegenheit sein.

9 Kommentare

  1. rene13. April 2008 at 12:23

    >Neun Stunden HipHop!

    Wie sagt der wissenschaftliche Androidenoffizier auf der Alien-Nostromo? Genau: Sie haben mein Mitgefühl.

    Neun Stunden. Mein Beileid, Dicker! ;-)

  2. marc13. April 2008 at 21:51

    na hoffentlich bleiben keine folgeschaeden :)

  3. Saint13. April 2008 at 21:57

    Ich hoffe nur, dass sich ihre Teilnahme an der Norddeutschen Meisterschaft noch ein wenig Zeit lässt. :) Da nämlich soll es noch länger gehen… ;)

  4. marc13. April 2008 at 22:10

    …und danach folgen dann die bundesweiten meisterschaften. dauer 3 tage, von frueh bis abend.
    kinder sind auch immer ein risiko. :)

  5. Saint13. April 2008 at 22:12

    Neeeeeeeeeiiiiiiiiiiiiiinnnnnnnnnn. Drei Tage überstehe ich nicht!

  6. Boogie14. April 2008 at 02:00

    Ja, aber die wichtigste Frage blieb unbeantwortet, wer hat denn nun gewonnen,
    die tanzenden Mäuseohren oder die leuchtenden Puschelkostüme?
    ;-)

  7. Saint14. April 2008 at 09:24

    Die augenkrebsverursachenden Puschelkostüme. Die Mäuseohren wurden Zweiter.

    Völlig unverdient. Aber das ist ja wohl klar. ;)

  8. Björn Grau14. April 2008 at 17:42

    Danke. So geht Journalismus. Den Leser schonungslos aufklären. Sollte ich einst eine Tochter bekommen, hoffe ich, dass sie zum Mädchenfußball geht. Bitte nicht tanzen. Bitte.

  9. trulli14. April 2008 at 19:54

    bin ick froh det ick Jungs hab…. obwohl… bei deren Hobby muss ich irgendwann bei Wind und Wetter auf´n Platz…. *heul*

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert