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Warum das Abmahnen von Bildern ein recht leichtes aber gutes Geschäft ist, was mich daran ärgert und welche Fragen sich mir stellen

Es geht also weiter. Nachdem die letzte Abmahnrunde bezüglich der Fotos von Nathan Sawaya für alle Blogger glimpflich ausging, gibt es nun die nächste Welle. Wie auch bei Sawaya geht es wieder um Fotos, für die die hgm-press Michel OHG Nutzungsrechte beansprucht. Diese lagen ihr für Sawayas Bilder nicht vor, wie der Künstler in einer Pressemitteilung verlautbarte. Die hgm-press Michel OHG behauptet nach wie vor das Gegenteil, beziehungsweise, dass der Künstler die die Rechte vertragswidrig zugesichert hätte. Warum sie die Abmahnung dennoch zurückziehen liest, erschließt sich mir zwar nicht, aber ist aber so. Im jetzigen Fall äußert einer der Betroffenen nachdem er Kontakt zum Künstler aufgenommen hat auch, dass dieser meint, seine Nutzungsrechte nicht verkauft zu haben. Ein Schelm, wer Methode darin erkennt. Die hgm-press Michel OHG scheint für ich ein Geschäftsmodell darin entdeckt zu haben, für Bilder vierstellige Summen einfordern zu wollen. Und das könnte sich in der Tat als leichtes aber gutes Geschäft erweisen.

Wenn es darum geht, Leute wegen dem Tauschen von Musik zu belangen, ist das im Vergleich zu den Bildern ein recht umständlicher Weg, der etwas Zeit und Arbeit verlangt. Dafür müssen dann erst mp3s in Torrents verpackt werden, der muss ins Netz, und wenn man einen Fisch an der Angel hat, muss eine IP-Analyse her, die verrät, wer genau zu den Tauschenden gehört. Dann gehen die Briefe raus. Ich weiß, dass die Kosten dafür weitaus geringer, aber eben immer noch sehr hoch sind. Für ein mp3, dass man nach dem Runterladen eines Torrents wieder freigibt, rufen Kanzleien 450-750 Euro auf. Gerne tun sie das wenn es sich bei einem Album um Compilations handelt. Je umfangreicher desto besser, denn da hängen meistens mehrere Verwerter dran, die alle einzeln vertreten werden wollen, gerne auch von mehreren Kanzleien. Es kann also gut sein, dass wenn man sich den Torrent der German Top 100 runterzieht, nicht 2-3 Briefe mit Forderungen ankommen, sondern 10-17 davon. Nein, dass kann nicht nur sein, das ist tatsächlich so, wie ich belegen kann. Da kommen dann also 10 Briefe von unterschiedlichen Kanzleien mit einer Forderung von je 450-750 Euro. Teurer Spaß für so ein künstlerisch eher zweifelhaftes Werk. Kaum einer redet über diese Praxis, aber sie ist allgegenwärtig, das sollte nicht vergessen werden. Und dennoch, der Weg sich dafür Geld zu holen ist eben doch komplizierter als der, den man jetzt geht, um gegen das Nutzen von Bildern vorzugehen. Interessant daran allerdings ist, dass die Kostennote tatsächlich im Vergleich zu den jetzigen Forderungen für einzelne Bilder eher harmlos erscheint. Ich gehe davon aus, dass das selbst für das Tauschen von Filmen so ist. Diese werden mit millionenschweren Produktionen in die Welt gesetzt, für ein gutes Foto bedarf es heute nicht mal mehr einer Kamera.

Ich sehr da ein derbes Ungleichgewicht, aber das deutsche Recht macht das so möglich, wie die Advokaten nach der Sawaya Sache nicht müde zu betonen wurden. Müde wurden sie erst dann, als klar wurde, dass die Abmahnungen wohl doch nicht ganz rechtens verschickt wurden – darüber schrieb dann keiner mehr. Vielleicht auch, weil sie sich als etwaige Vertreter nicht mehr in Stellung zu bringen brauchten, der Drops war gelutscht.

Ähnlich hielt es Ole Reißmann, der auf SpOn diesen Artikel schrieb, in dem er sich nicht ganz frei von Häme so gab, als wären alle Blogger zu dämlich, sowieso selber Schuld an der ganzen Angelegenheit und sollten eh lieber im Sand spielen. Er meinte, für Blogger sei das nicht lizenzierte Nutzen von Bildern ein Kavaliersdelikt. Das kann man ihm nicht übel nehmen. Man kann sich aber darüber ärgern, denn er tut das mit einem riesigen Online-Medium im Rücken, dass es bis heute nicht mal schafft, Videos, die sie von LiveLeak und/oder Youtube laden um auf ihren eigenen Server zu packen, ohne einen Link zur eigentlichen Quelle zu setzten. „Quelle: YouTube“ – ihr kennt das. Inwiefern die dann dafür zahlen ist mir nicht bekannt, aber netzgemäß ist das in meinen Augen nicht. Im Gegenteil.
[Update: 17.10.2012, 13:10 Uhr] Ole Reißmann hat mittlerweile, genau genommen heute, ja gerade eben einen Artikel dazu geschrieben, dass die Abmahnungen zurückgezogen wurde. Da denke ich mir jetzt mal rein gar nichts bei.

Übel nehmen darf man ihm allerdings, dass er bis heute in diesem Artikel nicht darauf hinweist, dass die Abmahnungen in diesem konkreten Fall alle zurückgezogen wurden. Auch spart er sich auf die Stellungnahme von Sawaya zu verweisen, obwohl er von mir mehrfach darauf hingewiesen wurde. Da steht also nach wie vor: Blogger zu dämlich, Bilder illegal kopiert, abgemahnt, 1000e Euro weg, Pech gehabt. Kein Update, wie das bei uns Bloggern ja üblich ist, kein gesonderter Artikel zum Thema. Thema für ihn durch. Muss ja auch keiner wissen, dass sich da eine eklatante Änderung am Sachstand ergeben hat. Warum auch. Das ärgert mich.

Wie schon erwähnt ist das Abmahnen bei illegalem Umgang mit Musik- oder Filmdateien weitaus komplizierter. Mit Bildern an viel Geld zu kommen ist allerdings viel einfacher, wie nun wohl die Agenturen und Kanzleien gerade feststellen dürften. Man kauft sich im für uns schlechtesten Fall Bildrechte, jagt die Fotos durch Tineye, oder die Google Bildersuche, klickt auf das Impressum der angegeben Seiten und schickt die Briefe raus. Wenn das zehnmal die Woche so gemacht wird und am Ende irgendwer zahlt, verdient man an einem Foto mehr Geld als an dem Verkauf eines Gebrauchtwagens. Dafür einen Azubi oder gar einen Praktikanten abzustellen ist ein Einfaches und das kann sich im Falle des Falles ja auch wirklich lohnen, denn die Gesetzeslage ist da durchaus auf der Seite der Abmahnenden. Warum also sollte man sich da heute noch die Mühe machen, Torrents mit Musik und Filmen ins Netz zu stellen. Es könnte also durchaus sein, dass das hier erst der Anfang ist. Wundern würde es mich nicht, schneller und effizienter kann man sein Geld ja gar nicht machen. Und ich schreibe ganz bewusst nicht “verdienen”.

Wenn es so kommen sollte, und diese Praxis Schule macht, sind wir als Blogger daran wahrscheinlich nicht mal ganz unschuldig, wir haben ja erst lauthals darauf aufmerksam gemacht. Allein, ohne den Krach hätte sich womöglich niemand darum geschert, nicht mal Ole Reißmann. Die Quadratur des Kreises: entweder still bleiben um keine Aufmerksamkeit erregen, oder rumbrüllen und die schlafenden Hunde auf dem Hof der nächsten Agentur/Kanzlei wecken. Ich war und bin nach wie vor für ersteres. Immer in der Hoffnung, dass die Politik da irgendwann mal von wach wird, und sei es durch das Gebell der jetzt kläffenden Hunde. Irgendwas muss da passieren und zwar dringend.

Jetzt kann man natürlich sagen: “Dann hör’ doch auf so zu bloggen und gehe selber fotografieren.” “Nö”, sag ich dann, “Nö, mach’ ich nicht. Weil will ich nicht!”

Als ich hier mal anfing, Sachen aus dem Netz zu sammeln, lasen hier keine 20 Leute mit. Ich tat das in erster Linie für mich. Ich verstand das als meine kleine Schatzkiste, in der ich all das sammelte, was mich voll umhaut. So wie früher schon. Ich schnitt Bilder oder Artikel aus Zeitungen aus, packte sie in meine alte Keksdose und behandelte sie wie meinen Schatz. Das Ding hier war meine ganz private “Website”, die mein Schatzkästchen ersetzen sollte und das über die Jahre auch tat. Natürlich kann man jetzt sagen, “Junge, sei doch nicht so naiv, das kann man doch gar nicht vergleichen, ey!” und das stimmt sogar. Trotzdem ist das genau der primäre Grund, warum ich das auch heute noch mache. Gut daran allerdings ist mittlerweile, dass die Leute, die ich hier verlinke sogar ein wenig davon haben, zumindest was die Verbreitung ihrer Arbeiten betrifft, denn heute habe ich 30 Leser und irgendwer klickt da dann rauf, ist beeindruckt und teilt den geklickten Link dann weiter. Im besten Fall. So zumindest wäre mir das am liebsten. Und wer hier nicht auftauchen will, sagt Bescheid, seine Arbeiten und der Link zu ihm kommen raus. Funktioniert bei YouTube ja auch, wobei ich zu den Fragen kommen will, die sich mir aus der ganzen Kiste hier ergeben.

Wenn ich ein Video auf YouTube hochlade an dem ich keine Rechte besitzen sollte, bekomme ich auch keine kostenschwere Abmahnung und das obwohl relativ einfach nachzuvollziehen sein sollte, wer das Video hochgeladen hat. Warum eigentlich nicht? Entweder schaltet YouTube selber auf Löschmodus oder irgendein Verwerter veranlasst, dass der Content dort nicht mehr zu sehen ist. YouTube verwarnt dann per Nachricht und die Sache ist im Regelfall gegessen. Macht man das mehrfach, wird letztendlich das Konto von seitens YouTube gelöscht. Das war es. Ist irgendjemand ein Fall bekannt, in dem Leute dafür horrende Summen zahlen mussten, urheberrechtlich geschützten Content da hochgeladen zu haben? Dazu kommt die rechtliche Handhabe, was mit denen geschieht, die derartige Videos dann bei sich einbetten. Wie liegt die eigentlich, wenn ich einen Film von YouTube einbinde, der gerade gestern erst in die Kinos kam und von irgendjemandem hochgeladen wurde. Kann ich dafür rechtlich belangt werden? Also für das Einbetten dieses Films? Das wollte ich schon immer mal wissen.

Ich hatte vor Jahren hier mal ein Video eingebunden, bei dem das tatsächlich der Fall war. Es ging um den Baader-Meinhof Komplex, der gerade in die Kinos kam und den irgendwer auf Google Video geladen hatte. 3-4 Tage später. Ich bettete den hier ein und dachte, “Naja, wird schon nichts passieren.” Ein Freund von mir fand den dann hier, bettete den bei sich ebenfalls ein und bekam prompt einen Brief des Filmverwerters. Er wurde aufgefordert, diesen sofort bei sich zu löschen und eine Stellungnahme abzugeben. Die schrieb er, die Sache war vom Tisch. Es gab keine Kostenforderung und ich möchte gerne wissen, wie sich eben genau das rechtlich gestaltet. Denn wenn genau das in der oft zitierten “rechtlichen Grauzone” passiert, wie ist es dann mit Bildern, die ich eben nicht auf meinen Server kopiere, sondern sie nur von anderen Plattformen wie z.B. imgur oder Tumblr einbinde. Bilder also, die andere hochladen, die ich hier zwar zeige, aber technisch eben nicht kopiere. Wie steht es dann? Also rein rechtlich? Ich habe versucht, dass irgendeinen Anwalt zu fragen, aber mir fehlt gerade die Geduld, auf die Antworten zu warten. Interessieren würde sich mich trotzdem brennend.

Solange es keine gesetzliche Regelung gibt, die dieser aktuellen Abmahnpraxis Einhalt gewährt, bleibt also das tägliche Unbehagen beim Gang zum Briefkasten. Und bis es diese Regelung irgendwann mal geben wird, fliest verdammt viel Wasser die Havel runter. Und eigentlich sollte ein Interesse daran auch die großen Medienhäuser nicht kalt lassen, schließlich sind es diese, die mittlerweile gerne und häufig auf die Inhalte von uns Bloggern verlinken. Weil wir den ganz geilen Shice aus den Untiefen des Netzes ziehen, diese ganze Awesomeness, die ohne uns dort gar nicht stattfinden würde, weil wir einfach in einem gänzlich anderem Kontext funktionieren als diese in ihrem medialen Kosmos.

Wahrscheinlich habe ich ganz viel vergessen, aber das wollte ich mal loswerden, und die Fragen hätte ich tatsächlich gerne beantwortet. Am liebsten von einem, der es wissen sollte.

Und mal ehrlich: wisst ihr, wie es sich anfühlt, hier Bilder zu löschen? Es ist als würde ich mein Schatzkästchen von damals öffnen, die mir liebsten Perlen rausnehmen und sie in das Feuer werfen, das Vater immer gemacht hat, wenn er im Herbst das Laub im Garten verbrannte. Echt jetzt. Und dennoch werde ich wohl nicht umhinkommen, genau das zu tun.

52 Kommentare

  1. Mario17. November 2012 at 08:29

    Es war 2006, ich habe zwei Bilder von flickr auf meiner Seite eingebunden. Beide Bilder standen auf flickr unter CC Lizenz. Ich bekam Post wurde abgemahnt für beide Bilder von der selben Kanzlei. Die Flickr User wurden angeschrieben, welche ihren Account daraufhin löschten. Ein paar Blogger haben mir geholfen und es kamen wenige 100€ zusammen. Damals hat das irgendwie noch niemanden interessiert scheinbar. Die insgesamt 1800€ konnte ich kulant wie sie waren in 3 Raten abstottern.

    So viel zu Bilder einbinden und CC. Sicher kann man sich eben nur sein, wenn man die Bilder selbst gemacht hat, aber selbst dann kann immer noch jemand behaupten man habe ihm seine Idee geklaut.

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