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Als ich damals vor über 10 Jahren meinen Zivildienst geleistet habe, habe ich es sehr genossen, bei jedem Wetter mit den alten Damen und Herren spazieren zu gehen. Die Einrichtung in der ich arbeitete lag direkt am Schlachtensee, was auch dazu führte, dass in dieser Tagesbetreungsstätte nur Klientel auftauchte, was die Konten voller Kohle hatte. Das sie im Alter deshalb besser dran gewesen wären, als die die nicht soviel hatten, konnte ich allerdings nicht feststellen. Die Gören kloppten sich in der Regel bereits um das zu erwartende Erbe, obwohl die Alten noch gar nicht daran dachten, ihnen das zu überlassen.
Damen waren dabei, denen ganze Strassenzüge bebaut mit Altbauhäusern, gehörten, Rechtsanwälte, Apotheker, äußerst betuchte Nazi-Witwen, deren Kinder nach dem Krieg vorsorglich nach Argentinien abgehauen sind, Weltreisende Millionäre oder gealterte Oper-Diven. Und trotz der dicken Kassen, waren sie eben auf Hilfe angewiesen, oder mehr noch auf Lichtblicke in ihrem doch eher tristen Alltag. Also gingen wir so gut wie jeden Tag am Schlachtensee spazieren. Mal in Gruppen, mal zu zweit. Es gab Tage, so wie dieser heute, die knackig kalt waren obwohl die Sonne schien. Das bedeutete dann, dass man den See fast für sich alleine hatte. Zum baden kommen im Winter eben nur wenige da runter und auuch für Spaziergänger war der See offenbar nur bedingt Anlaufpunkt. So hatte man dort seine Ruhe, konnte den Geschichten der Alten mitunter gespannt zu hören, während man seinen Vormittags-Joint rauchte und davon träumte, nach dem Zivil-Dienst endlich die Welt verändern zu können. Ich las viel spirituellen Schniggens in der Zeit und dachte daran, für immer nach Indien zu gehen und so…

Mitunter kam es auch vor, dass man tagelang ganz individuell mit nur einer Person zu tun hatte. „Der Weltreisende“, so nannten ihn damals alle, war, wodurch auch immer Millionär und hatte wirklich die ganze Welt bereist, bevor ihn ein Apoplex an den Rollstuhl fesselte. Mit dem habe ich ganze Tage in Berlin verbracht. Wir fuhren mit der Bahn zum Ku`damm, wo er ein Teil seines „Wochengeldes“ ausgab, gingen irgendwo essen, bei dem er grundsätzlich den besten französichen Cognac bestellte und verbotenerweise von meinen Zigaretten rauchte. Dann kamen wir in die Einrichtung zurück, und holten uns den wohlverdienten Ärger ab, weil er mal 1,8‰ im Kessel hatte, nachdem ich mit ihm auf Tour war. Das allerdings störte mich nur wenig und ihn absolut gar nicht. Er war froh, auch nochmal was sehen zu können, was ausserhalb seines Altenheims in Wannsee lag. Und er war sich offenbar auch bewusst darüber, dass sein Leben dem Ende zugeht und er eigentlich daran nichts mehr versauen könnte.
Ein wenig drastisch wurde es nur dann, als ich es tatsächlich geschafft hatte, mich mit ihm und seinem Rollstuhl im Grunewald zu verlaufen. Es waren um die -10°C und wir stampften mit dem Rollstuhl durch den Schnee und wussten einfach nicht mehr, wie wir da wieder rauskommen sollten. Handy hatte keinen Empfang und wir waren mehr als zu spät, da der Fahrdienst schon auf ihn wartete. Nach 3 Stunden der Irrness, fanden wir dann aber doch den Weg zum See und er hielt mich an, ihn doch nun unbedingt über den zugefrorenen See zu schieben, um den Weg zu verkürzen. Ich tat ihm den Gefallen und wagte mich auf das Eis. Nur in diesen Momenten, ging mir richtig der Arsch, mit der Angst das, dass Eis nachgeben würde und ich absolut chancenlos zusehen müsste, wie der Rollstuhl absackt. Glücklicherweise ist nichts der gleichen passiert und er hatte ein seeliges Lächeln auf den Lippen, als wir endlich zurück waren. Der Ärger danach war größer denn je, aber auch das störte nicht, denn ich hatte nachdem Eis-Trip einen gerollt und es war mir schnuppe.
Ach, was bin ich froh, nicht beim Bund gewesen zu sein!

5 Kommentare

  1. augi12. Februar 2007 at 19:43

    Daumen hoch!!! In jeder Hinsicht war das eine gute Idee!!!

  2. mogreens13. Februar 2007 at 09:26

    ja.word. dennoch sind zivis all zu oft einfach nur billige arbeitskräfte und ja irgendwie auch „dienstleistende“. issja nich jeder vom fach, so wie du ;-) und kann die zeit so sinnvoll nutzen. wenn ich mal opi bin wohne ich ganz sicher nich in wannsee. und noch was: armee ist das letzte: soldaten sind mörder!

  3. Saint13. Februar 2007 at 09:41

    mo. und wieder eingelebt? hab dich heute jesehen :P

    aber aus rechtlichen gründen sollte es „auf befehl sind soldaten mörder“. hattest du aber stebümmt nur vergessen.
    Gnhihihihi

  4. Björn Grau13. Februar 2007 at 20:11

    Schöne Geschichte! Ich hoffe aber, der Weltreisende hatte dann doch 1,8 ProMILLE?!

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