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Pinball und Liebe


(Direktlink, via Rene)

Wir waren jung. Wir waren jung verliebt. Wir fuhren zusammen das erste Mal ohne die Eltern in den Sommerurlaub. Zehn Tage Zempin, Insel Usedom. Ihre Eltern kannten da jemanden, wo man für 10 Mark die Nacht ein Dach über dem Kopf, ein Bett unter dem selbigen und eine warme Dusche bekommen konnte. Mit dem Rad waren es fünf Minuten zum Strand. Runter fuhr uns ihr Vater. Es war heiß in diesem Sommer. So wie das, was wir zwischen uns hatten.

Sie liebte es, am Strand zu liegen. Stundenlang, tagelang. Ich lief durch die Dünen und die angrenzenden Wälder. Nicht so ausdauernd wie sie in der Sonne liegen konnte, aber immerhin verging so etwas von der Zeit, die ich nicht gänzlich am Strand verbringen wollte. Ich kaufte kiloweiße schlechter Comics und las die mit Sand auf dem Rücken und Sonne auf der Stirn. Oft liefen wir einfach in das Wasser, bis uns die See auf der Unterlippe lag.

Auf der Düne stand ein altes Restaurant, ein durchaus hübscher Fachwerkbau. Betrieben wurde es von einem älteren Ehepaar. Die besten Zeiten hatte es wohl lange schon hinter sich. Die Mauer war seit ein paar Jahren Geschichte, das Inventar dort aber sprch immer noch die Sprache der DDR. Die Speisekarte und die Preise allerdings auch. Es gab Würzfleisch, Soljanka und Steak mit Kräuterbutter zu durchaus moderaten Preisen. Es war alles andere als ein feiner Laden, aber die Leute waren freundlich und das Essen machte satt. Außerdem wechselten sie immer gerne die 10-Mark-Scheine in Kleingeld, das man dann in die Flipper stecken konnte, der im Vorraum stand und dessen Lautstärke so gepegelt war, dass man es auch unten am Strand hören konnte, wenn jemand an diesem Ding spielte. Das tat kaum einer, bis wir dieses Ding für uns entdeckten.

Ich hatte vorher nie wirklich viel übrig für Flipperautomaten, sie sowieso nicht. Aber in diesem Sommer, in diesen 10 Tagen, verbrachten wir die Hälfte unserer freien Zeit an diesem Star Trek Flipper und steckten mindestens die Hälfte unseres Urlaubsgeldes in den kleinen Schlitz, hinter dem die Münze immer dieses tolle Schning-Geräusch machte, bevor man die Kugel in den Weltraum schoss.

So spielten wir, teilten uns Kugel um Kugel, Rekord um Rekord. Der Urlaub wurde zu der reinsten Flipper-Orgie. Vormittags hingen wir etwas am Strand rum und warteten, dass die endlich ihr Restaurant aufschlossen. Dann machten wir Geld klein und steckten es in den Flipper. Wir brachen alle dort vor uns aufgestellten Rekorde. Es war großartig, die Sonne schien, wir liebten uns und flipperten gemeinsam. Das taten wir danach nie wieder. Das mit der Liebe schon, aber wir flipperten nie wieder zusammen.

Zwei – drei Jahre später fuhren wir noch mal nach Zempin, für eine Nacht auf den Zeltplatz. Mit dem ersten eigenen Auto. Wir gingen dort essen, überlegten, ob wir es noch mal versuchen sollten. Dann sahen wir, dass die Top 3 der Rekorde immer noch unsere Namen trugen, lächelten uns an und gingen am Strand spazieren.

Als wir dann vor ein paar Jahren erneut dort waren, war das Restaurant wohl lange schon geschlossen, der Flipper nicht mehr da, unsere Rekorde sind mit ihm von irgendeinem Aufsteller abgeholt worden. Wir hatten uns immer noch. Mittlerweile waren wir zu viert.

3 Kommentare

  1. Buzzter1. November 2012 at 15:54

    Sehr schön geschrieben!

    Das weckt Erinnerungen an einen ähnlichen Schuppen in meiner Heimat.

  2. Maelicitas1. November 2012 at 22:25

    I.l.d. immernoch und nicht nur dieser Rekorde wegen. Danke!

  3. Matze1. November 2012 at 22:29

    Hach, hört doch mal uff! Nicht mit der Liebe,…. aber, ach naja.
    Ich geh mal kurz ein bißchen schluchzen.

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