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Schlagwort: Homs

Doku: Homs und ich – Ein Kriegstagebuch

Ich betreue seit ein paar Jahren ein paar damalig syrische Kids, die bis 2014 einfach nur Kinder waren, die in Homs aufgewachsen sind und dort erwachsen werden sollten. Dann kam der Krieg und sie mussten dort weg, nachdem ihre Mutter nach einem Granateneinschlag einem ihrer Söhne die Lunge zurück in seinen Körper drücken musste. Die Familie hatte das Glück, ins offizielle Flüchtlingsprogramm der UNO aufgenommen zu werden und mit dem schwer verletzten Bengel aus Syrien erst in den Libanon und dann nach Deutschland kommen zu dürfen. Irgendwie sind sie dann in Potsdam-Mittelmark gelandet, wo wir uns trafen, und wo wir uns bis heute täglich miteinander über die Tage bringen. Wobei das für sie immer schwieriger als für mich ist. Natürlich. Aber wir mögen uns. Sehr. Aber kaum einer weiß, was diese Familie durchmachen musste. Und was es für sie heißen würde, wenn sie hätte dort bleiben müssen. So wie Sulaiman Tadmory, 23 Jahre jung, der hier seine Geschichte erzählt.

Ich hätte dort auch nicht bleiben wollen, wenn es nur eine Alternative dazu gegeben hätte. Ich hätte versucht, diese zu nutzen.

„Letzte Woche habe ich mir eine Pistole besorgt. Lieber sterbe ich durch meine eigene Kugel, als durch Assads Truppen zu Tode gefoltert zu werden.“ Sulaiman Tadmory ist 23 Jahre alt, als die Armee des syrischen Präsidenten Assad über Nacht die Altstadt von Homs umstellt. Als er am nächsten Morgen aufwacht, lebt er in einer belagerten Stadt. Was das bedeutet, lernt er schnell: kein Essen, keine Medikamente, seine Familie nur wenige Hundert Meter entfernt und doch unerreichbar. Mit seiner Kamera hält er alles fest, um der Welt zu zeigen, was hier passiert.

Der Dokumentarfilm ist ein schmerzhaft persönlicher Film darüber, wie im Krieg aus der Angst zu sterben eine Angst zu leben wird.

„Woran denkst du?“, fragt Sulaiman seinen Freund. Abu Hassan liegt auf einer Bank im Innenhof eines zerstörten Wohnhauses. Seine Wangen sind eingefallen, sein Gesicht ist blass, der Blick leer. Leise murmelt er: „An Schwalben. Warum fallen die nicht einfach vom Himmel? Dann hätten wir was zu essen.“

Bislang haben die Bomben Sulaiman verfehlt. Manchmal nur haarscharf. Auch die Scharfschützen haben ihn noch nicht getroffen. Er kann sich gar nicht mehr erinnern, wann das genau war, aber irgendwann hat er sich an diese ständige Angst, sterben zu können, gewöhnt. Mehr noch, er weiß gar nicht mehr, wovor er mehr Angst haben sollte: davor zu sterben oder davor weiterzuleben. Denn bis Assads Männer die Altstadt erobern, kann es nicht mehr lange dauern. Was dann passiert, will er sich nicht ausdenken.

Vor ein paar Tagen hat er sich jetzt die erste Waffe in seinem Leben besorgt. Eine Pistole. Nicht um damit irgendjemand anderen zu töten. Nur für den Fall, dass die Angst vor dem Weiterleben überwiegt.


(Direktlink)

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Ein Flug über das syrische Homs

Diese Aufnahmen, die erst in diesem Jahr entstanden sind, zeigen das syrische Homs aus Sicht einer Drohne. Ein paar der Kids, die ich beruflich betreue, kommen aus Homs und ich mag mir gerade nicht vorstellen, wie sie auf Material wie dieses reagieren.

Marc weist hier darauf hin, dass die Aufnahmen von Russiaworks stammen, wo auch schon mal Imagevideos für russische Staatssender produziert werden. Und die Russen Assad nach wie vor nahestehen. Auch mit diesem Wissen aber, sind diese Bilder schockierend.


(Direktlink, via Boing Boing)

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Doku: Homs – Ein zerstörter Traum

Ich habe seit ein paar Monaten beruflich mit Kindern und Jugendlichen zu tun, die im November letzten Jahres mit ihren ganzen Familien aus Homs flohen und hier im Süden Berlins Zuflucht fanden. Natürlich sprach keiner von ihnen nur ein Wort Deutsch, sie konnten ja nicht wissen, dass das für sie irgendwann mal sinnvoll sein könnte. Die Kommunikation zwischen uns, die anfänglich täglich stattfand beschränkte sich auf „Hände und Füße“ und auf das Wesentliche. Wir spielten. Billard und an der Konsole hin und wieder. Ich stelle die Computer-Tastaturen auf arabisch um. Dinge eben, für die des keiner Sprache bedarf. Ganz anders wenn es darum ging, sich doch mal verständigen zu müssen. Das Smartphone einrichten, den WLAN-Schlüssel übertragen, Videos auf das Tablet bekommen, ganz alltägliche Fragen zum Einkauf klären, solche Sachen eben. Wir versuchten es mit dem Google Translator, der zwar Vokabeln kann, aber bei Sätzen komplett aussteigt und nur für noch mehr Missverständnisse sorgt.

Dabei entstand bei ihnen hin und wieder Frust. Nicht weil sie sauer waren, nein. Sondern weil eben Tätigkeiten, die bis dorthin in ihrem Leben völlig alltäglich waren, nun für sie ohne Hilfe nicht mehr zu bewerkstelligen waren und wofür sie nicht einmal etwas konnten. Klar, versuchte ich immer auch gerne stundenlang irgendwie mit ihnen diese neuen Herausforderungen auf irgendeine Weise stemmen zu können. Das gelang und gelingt immer noch nicht ganz. Aber es wird besser. Die Kleinen gehen mittlerweile zur Schule, die Großen machen Sprachkurse. Die Kleinen finden ohnehin fast immer einen Weg, sich mit Gleichaltrigen zu verständigen. Auf dem Trampolin oder am Tischtennistisch muss man nicht viel sprechen. Die Großen hingegen wollen schon gerne mal auch einfach nur reden, glaube ich. Ihnen dabei zuzusehen, wie sie nach Monaten das erste Mal mit ihren Freunden skypten – Freunden, die nach wie vor in Homs ausharren und von denen sie nicht mal wissen konnten, ob diese noch leben würden – ging mir tief ins Herz. Sehr tief.

Es handelt sich um zwei Familien. Eine davon hat vier Söhne und zwei Töchter. Der Vater ist Zahnarzt, zumindest war er das, als sie noch in Homs lebten. Die Mutter Lehrerin. Es ging ihnen dort vor dem Krieg wohl verhältnismäßig gut. Sie hatten ein Haus mit sieben Zimmern und einem großen Garten. „Eine sehr schöne Haus“, wie mir der 17-Jährige heute nach seinen ersten Wochen Deutschkurs freudig und auch ein bisschen wehmütig mitteilen konnte. Hier leben sie mit der ganzen Familie in einem kleinen Haus mit vier Zimmern. „Sehr klein Haus“, wie er heute sagte. Er teilt sich sein Zimmer mit seinen drei Brüdern. Der älteste von ihnen kam mit Schussverletzungen, sein jüngster nach einem Beinbruch im Rollstuhl hierher. Beide haben sich zumindest körperlich erholen können. Was in all ihren Seelen vorgeht, kann ich nicht wissen – kann ich nicht womöglich auch nicht mal annähernd erfassen.

Sie sind jeden Tag dankbar und auch ein bisschen glücklich, hier sein zu können. Das äußern sie auf die ihnen und mir mögliche Weise kommunizieren zu können. Ein nicht immer einfaches Unterfangen. Sie sind hier und vergessen hoffentlich vieles von dem, was ihre Eltern dazu brachte, mit ihnen die Flucht zu wagen. Weg von dem Krieg, den Granaten, den Schüssen, den alltäglich tödlichen Gefahren. Was nützt es einem schon, wenn es dir wirtschaftlich verhältnismäßig gut geht, aber dir jeden Tag eine Bombe auf den Kopf fallen kann. Nichts. Gar nichts.

Die Welt sieht auf die Krim, in Syrien tobt nach wie vor ein Bürgerkrieg, an den man sich gewöhnt zu haben scheint. Eine wirkliche Verbesserung für jene, die darunter täglich leiden müssen, ist nicht in Sicht. Das dort ausharren und warten müssen dürfte dem Vorhof zur Hölle ziemlich ähnlich sein.

Und so sehen von hier per YouTube Bilder aus der Stadt, die einst die ihre war. Mir jegliche Möglichkeit, darüber dann auch nur halbwegs angemessen mit ihnen reden zu können, so gerne ich auch möchte. Das wird sich ändern. Der Deutschkurs schreibt seine ersten Erfolge. Der 17-Jährige wollte heute wissen wie alt und ob ich verheiratet sei, ob ich Kinder hätte und wie alt die wären. Man spürt, wie froh er darüber ist, endlich ein paar Sätze wechseln zu können. Er mag die Schule hier, die in Syrien war wohl nicht pralle. Er will als Fleischer arbeiten, das hat er schon in Homs gemacht. Seitdem er elf war, wenn ich das richtig verstanden habe. Damals, als die Stadt in der er aufwuchs, noch eine Stadt und kein Trümmerhaufen war.

Ich wusste nicht viel über Homs, als ich die Kids zum ersten Mal traf. Ich las ein bisschen was darüber, aber den Schrecken, den sie dort wohl erlebt haben müssen, konnte ich nicht mal annähernd realisieren. Natürlich nicht. Eben sah ich dieses Dokumentarfilm. Der macht es kein bisschen besser.

Heute lief diese preisgekrönte Doku auf arte. Talal Derki hat in den Jahren 2011 und 2012 den 19-Jährigen Basset begleitet und darüber diesen mitunter beklemmenden Film gemacht. Jetzt für sieben Tage auf arte+7.

Seit Herbst 2011 kämpfen der damals 19-jährige Baset und seine Kameraden aus Homs gegen Assads Truppen. Aus friedlichen Demonstranten werden bewaffnete Kämpfer, aus jungen Männern, für die Religion kaum eine Rolle spielte, werden im Angesicht des Todes gläubige Moslems. Der Dokumentarfilm wurde beim Sundance Film Festival 2014 ausgezeichnet.


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