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Ein sehr dicker, etwas ungepflegt wirkender Mann betritt den Bus. Er dürfte Ende 30 sein, locker 70 Kilo Übergewicht haben, an seinem Rucksack fehlt ein Träger, dafür hängt ein Marienkäfer in Form eines Kuscheltiers an dem Sack. Er wirkt in der Gesamtheit etwas tapsig, nett auch, so ein „Knuddelbär“ eben.

Er setzt sich 2 Reihen vor mir, so rum, dass ich ihm ins Gesicht sehen kann. Er holt tief Luft, greift entschlossen zum Telefon und wählt eine Nummer, die er nicht gespeichert haben kann, da er dafür zu oft auf die Ziffern tippt. Zumindest aber hat er die Nummer im Kopf, was ja auch schon mal was aussagt. Er ruft also jemanden an, der ihm zwar wichtig ist, dessen Wichtigkeit aber offenbar nicht ausreicht um als Nummer gespeichert zu werden. Aha.

Dann redet er in schier unglaublicher Lautstärke in das Telefon:
„JA; ICH BIN`S, BIST DU ES PETER?!?“
Die Dame vor mir, die wohl vor nicht allzu langer Zeit ihr Nasen,-und ihr Unterlippenpiercing gegen roten Lippenstift, Kajal und hochhackige Schuhe getauscht haben muss – man sieht noch die kleinen Stichnarben in ihrem ansonsten so glatten Gesicht -, sitzt dem Mann genau gegenüber. Sie fasst sich vor den Kopf wobei sie den selbigen schüttelt, brubbelt irgendwas Unverständliches und dreht ihn angewidert zur Seite.

Der dicke Mann redet weiter, schreit jetzt fast schon, in sein Telefon, was hier, außerhalb seines Handys, als komischer Monolog ankommt, man hört ja nur ihn reden.
„JA, ICH WOLLTE MAL FRAGEN, WAS DAS GESTERN SOLLTE, WARUM DU MICH GESTERN BELEIDIGT UND MIR SCHLÄGE ANGEDROHT HAST. ICH MEINE, DAS WAR JA NUN SCHON DAS ZWEITE MAL. ICH WOLLTE MAL WISSEN, WAS DAS SOLL?!?“
Pause. Offenbar redet Peter gerade.
„JA WEIßTE, PETER, ICH DACHTE, SEINE FREUNDEN BEGRÜßT MAN MIT HOCHACHTUNG?“ und meint wahrscheinlich „begegnet“, was aber egal ist.
Pause. Peter.
„ICH HABE JETZT FEIERABEND UND SITZE SCHON IM BUS. JA, KÖNNTE MAN MACHEN, ABER DU MUßT DANN AUCH MAL SEHEN, DAS DU DAS IN DEN GRIFF BEKOMMST IN ZUKUNFT. ICH MAG DAS NICHT HABEN, VERSTEHST DU? JA, BIN 14: 00 UHR IM IMBISS. DIE ERSTEN ZWEI GEHEN ABER AUF DICH!“
Während er das alles so mir nichts, dir nichts in den Bus ruft, drehe ich mich um und versuche eine versteckte Kamera zu entdecken. Das kann doch hier alles nicht wahr sein, denke ich mir so. Ich kann keine Kamera entdecken, außer der im Bus typischen.

Hinter mir sitzt ein abgemagerter Mann, vielleicht Ende 20, neben ihm sitzt seine Tochter, vier, vielleicht fünf Jahre alt. Sein suffgeschwängerter Atem kriecht mir über den Nacken in die Nase. Nach einer halben Stunde stelle ich fest, dass er in dieser Zeit nicht ein Wort mit seiner Tochter wechselt. Beim Aussteigen klappern in der NORMA-Tüte, deren Griffe, die um sein Handgelenk gebunden sind, volle Flaschen. Was da drin ist weiß ich nicht.

Die Bundeswehr geht heute offenbar geschlossen in den wohl verdienten Weihnachtsurlaub. Vor der Kaserne stehen gut einhundert Soldaten in Uniform. Fast alle tragen ihre Uniformen, was ich sehr ungewöhnlich finde, weil ich das so hier noch nicht gesehen habe. Ungefähr zwanzig der Soldaten besteigen den Bus. In Uniform. Alle zahlen nacheinander und einzeln, auch klar. Ich frage mich, wie es wohl wäre, wenn die alle mit den Linienbusen zu ihren Auslandseinsätzen fahren würden, verwerfe das als einen doch all zu quatschigen Gedanken und wünsche ihnen stumm ein friedliches Fest.

2 Kommentare

  1. AF_Blog18. Dezember 2008 at 16:15

    Solch Beobachtungen begleiten mich auch jeden Tag im öffentlichen Nachverkehr und stellen mir die Frage, ob ich eigentlich normal bin, oder der Exot. Manchmal hilft nicht einmal Hände waschen, um das Zeug loszuwerden.
    Die Soldaten haben heute (und morgen) ihre Beförderungen bekommen, deshalb der volle Wichs. Grusseliges Szenario wenn sie kampfbereit losziehen.

  2. Maelicitas18. Dezember 2008 at 19:15

    Ich finds immer wieder toll auf diesem Wege, an deiner Welt da draussen teil zu haben. Aber in solchen Momenten bin ich froh das ich meistens Auto fahre.

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