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mp3´s und die „Haptik“

Der Begriff Haptik im Kontext zum Hören bzw. Aneignen von Musik kommt mir in letzter Zeit immer öfter vor die Linse und ich kann die meisten Argumentationen dazu nicht immer ganz nachvollziehen. Mir sind Cover und das Auspacken einer Platte/CD nicht wirklich wichtig. Mir reicht das Entpacken eines Archives um ein Ähnliches in mir auszulösen.

Ich will mal etwas zurückblicken. Ich war gerade zehn oder elf, als das Geschacher von Musik auf dem Schulhof der POS mich zu interessieren begann. Ich meine, Musik der Musik wegen, nicht der Verpackung wegen. Im Osten war das Vorkommen von originalen Platten bzw. Kassetten mehr als gering. Mag sein, dass es mehr Freaks gab, die tatsächlich Vinyl aus dem Westen gesammelt haben, als das ich das mitbekommen habe, dann aber nicht in meiner Nähe. Dort drehte sich alles um Kassetten gefüllt mit der begehrten Musik aus dem Westen: Die Ärzte, Hosen, NDW, Rio, die Scherben, Udo Linderberg, Anne Clark, The Cure, Prince und ja, auch Michael Jackson waren die musikalischen Heilsbringer dieser Zeit. Nicht alle davon bei mir: um NDW, Anne Clark und Michael Jackson habe ich auch damals schon einen großen Bogen gemacht. Von Deep Purple und so will ich gar nicht erst anfangen, das war eher was für die Älteren. Die wenigen 7“ Inches, die, wenn überhaupt, mit so was in den planwirtschaftlich organisierten Handel kamen, waren innerhalb weniger Stunden vergriffen. Dafür hat man dann aber bei uns am Kaufhaus auch mal locker mal 3-4 Stunden anstehen müssen. Wenn man zu spät kam, weil wieder mal keiner Bescheid gegeben hatte, war das eben so. Shice auf die Auspackerei, ich wollte die Musik.

Also hat man sich auf die Suche nach irgendwem gemacht, der irgendetwas von dem, was man unbedingt haben musste, sein Eigen nannte. Im Regelfall hatten die Leute das auf irgendwelchen ORWO-Tapes, manchmal auch BASF, TDK und wie die Gegenstücke dazu im Westen eben hießen. Wenn man jemanden ausmachen konnte, biss man sich fest, bis man endlich an eine „Überspielung“ dieser Kassette kam. Das Wort „Kopie“ gab es damals noch nicht.

Da saß man dann da mit einer Kassette, die schon über 50 Mal überspielt, wurde, bespielt mit Musik von einer Kassette, die schon über 50 Mal überspielt wurde. Mindestens. Das klang dann in etwa so, als würde man eine Teewurst ins Tapedeck stecken und auf Play drücken. Man hatte ja nüscht. Aber: man hatte endlich die Musik, die man so lange gesucht hatte um sie auf dem SKR 701 seines Bruders zu hören. Später dann auf dem Walkman, den die Eltern über mindestens 378 Ecken aus dem Westen besorgt hatten. Immer und immer wieder. Von einer Verpackung, einem Booklet oder einem Textbook hatte ich dato noch nie etwas gehört – was also sollte ich damit? Mir war nicht mal wichtig, dass ich eine Aufnahme von Platte bekam oder von einer Radioaufnahme. Geschenkt. Ich wollte Musik hören, nicht anfassen.

Daran hat sich bis heute nicht viel geändert. Klar, habe ich dann irgendwann angefangen Musik auch als Komplettausgaben zu kaufen. Also Vinyl in der Hülle und CD´s mit Cover, Booklet und Textbook. Grandiose Cover waren dabei. Fand ich super. Nur nützt auch das schönste Cover nichts, wenn der Sound nicht kickt. Vinyl hat man Mitte der 90ger am einfachsten Mixen können. Pitchbare CD-Player waren da noch nicht wirklich brauchbar und die meisten Techno-VÖ´s kamen eh auf Vinyl. Also kaufte ich das eben. Die CD-Alben die ich haben wollte, hatten immer nur wenige und Tapes waren da schon nicht mehr der Knaller. MD´s waren zwar eine nette Alternative, aber nicht sehr verbreitet. Also kaufte ich CD´s. Und zwar mehr als ich es heute noch für sinnvoll halte. Ich habe die auch alle noch, viele davon höre ich noch. Auf dem Rechner. Einen CD-Player habe ich schon lange nicht mehr. Um sie zu hören, importiere ich sie nicht einmal. Internet habe ich immer dabei. Mein CD-Regal nicht, wenn Ihr versteht? Ebenso habe ich immer und überall meinen mp3-Player am Start, meine Kopfhörer und einen Mini-Klinke/Cinch-Kabel. Überall, wo mein Laptop steht, liegt ein Audiokabel in der Nähe um das Dingen mit einer Anlage zu verdrahten. Was soll ich da zusätzlich noch einen Plattenspieler anschmeißen oder einen CD-Player? Mir bringt das gar nix. Wenn ich irgendwo eine CD bekomme, tue ich die, klar, importieren bevor ich sie höre. Anstatt der wenigen Promo-Vinyl nehme ich, bis auf wenige Ausnahmen, lieber digitale Promopacks Ich habe das am liebsten alles auf meiner Festplatte, da kommt nichts weg. Keine CD die irgendwo ohne Cover rumliegt, keine Platte, die mal wieder im falschen Cover gelandet ist. Das Kaufen von CD´s und Platten war für mich so etwas wie ein nötiges Übel und ich bin froh, dass es heute nicht mehr notwendig ist.

Ich freue mich immer wie Bolle, wenn ich neue Musik bekomme. Nicht wegen dem Anfassen, der Verpackung, dem Auspacken. Nein, wegen dem Hören. Und eigentlich nur deshalb. Musik hat für mich deshalb nicht an „Wert verloren“, wie einige es nennen. Musik hat für mich eben nie einen anderen Wert gehabt: Musik gehört in den Kopf, nicht in die Regale, denn da finde ich sie viel wertvoller. Und worin unterscheiden sich eine gute sortierte mp3-Sammlung und ein CD-Regal, mal abgesehen davon, dass das Regal eher zum angucken taugt? Aber das ist auch nur Meinung. Meine Meinung.

Einzig beim Auflegen. Da mag ich dieses Haptische, da bevorzuge nach wie vor CD´s, die ich vorab brenne. Das hat auch praktische Gründe. Zudem bin ich in die vielen Mix-Softwareangebote bisher nicht so richtig eingestiegen.

Es geht auch gar nicht um legal oder illegal, denn das ändert ja am mp3 als solches rein gar nichts. Ob ich es nun irgendwo im Netz kaufe, oder eben lade sollte, nein, kann dabei gar keine Rolle spielen.

Vinyl als Kult finde ich auch ganz nett, will ich nichst anderes sagen. Auf zwei – drei Platten im Jahr komme ich vielleicht noch. Aber erst wenn ich sie als mp3 schon auf dem Rechner habe. Und hören? Hören tue ich sie dann auch von dort. Klar.

6 Kommentare

  1. PianoPlayer20. Januar 2009 at 18:25

    Ich sehe das Problem eher im Mixing aktueller Musik. Denn die Studios wissen, dass die Musik heutzutage meist ins mp3 Format konvertiert und oft (nicht immer) mit billigstem Plastikequipment abgehört wird. Entweder über mp3 Player mit ihren Plastikohrstöpseln oder am PC mit angeschlossenen Brüllwürfeln der 25€ Klasse. Also wird totkomprimiert bis nichts mehr geht und darüber hinaus (es gibt bereits etliche CDs, auf denen ein Clipping hörbar ist), damit die Songs auch auf solchen „audiophilen“ Katastrohphen noch einigermaßen bums hat.

    Naja, ich persönlich bilde mir immer noch ein, bei bestimmten Titeln im A-B Vergleich einen Unterschied von CD und mp3 (mit 128 kbit – immerhin die häufigste Datenrate) zu hören.

    Ich höre allerdings auch häufiger mal Klaviermusik, und da ist mir die CD im Regal lieber als ne mp3 Sammlung auf einer Festplatte.

    Und wenn Du so sagst, alles auf der Platte, da kommt nichts weg. Einmal ein Hardwarefehler an der passenden Stelle und Du kannst dich von der mp3 Sammlung verabschieden. Und möglicherweise wird der heutige Interface-Standard morgen nicht mehr unterstützt. IDE ist so ein Kandidat. Dann darfst Du umkopieren, sofern die Möglichkeit besteht etc.

  2. Saint20. Januar 2009 at 18:31

    Okay, ich meinte schon 320er Datenraten. ;) 128 mag ich nicht so gerne.

    Und klar, dass man das Bewahren der Daten organisieren muß. Meine CD-Sammlung und die Vinyls sind allerdings auch katastrophal sortiert. Vielleicht kommt zu dem o.g. auch noch eine Portion Faulheit.

  3. stephan (am bass)22. Januar 2009 at 00:34

    Also den Verlust bei 128er höre ich auf JEDEN Fall, erschreckend ist nur, dass dies viele Menschen scheinbar nicht tun – die Hörgewohnheiten verändern sich auf erschreckende Weise.
    Mich haben schon manche Leute wunderlich angesehen, als ich sie beim Autofahren gefragt habe, ob sie die Musik aus dem Netz haben. Und die meisten meiner Bassschüler hören Musik über den Laptop (ohne Kabel) oder eine winzige iPod-Schrottanlage und fragen mich dann, warum sie den Bass nicht hören.

    Haptik hin oder her, aber was ist aus der Audioekstase bei einer perfekt gemischten Platte geworden? Manche Platten höre ich seit Jahren und finde es unfassbar wie gut sie gemixt sind.

  4. fALk23. Januar 2009 at 15:16

    Schöner Beitrag – spricht mir aus der Seele auch wenn ich nur von aussen zuschaue. Als absoluter nicht Musikhörer muss ich sagen das ich keinen Unterschied zwischen 128 und dem drüber höre (und als video mensch dessen festpladde immer voll ist sind die 3-5 mp3s die ich „besitze“ alle schön klein). Ja und Backuppen will halt gelernt sein (so wie pladdensortieren auch). Vinylherstellung ist zudem sehr umweltschädlich (so wie auch CDs), kann nicht oder schlecht recycled werden (meine Eltern haben gerade so 200 pladden aus DDR zeiten zum recycling freigeben und es wird als „sondermüll cat 3“ eingestuft was auch immer das heissen mag). Ausserdem brauchts lots of oil welches ja bekanntermassen auch nicht unbedingt mehr wird -> kleine MP3s der normale Hörer merkts nicht (ihr seid eh alle raus – da feingehör musiker ;) und sind am Umweltfreundlichsten – brauch man auch weniger pladden kaufen ;)

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