Zum Inhalt springen

Kategorie: Täglicher Sinnwahn

Britische Schulbehörde verbietet 9-Jähriger, über ihr Schulessen zu bloggen

[Update] Das Fotografierverbot wurde erstmal aufgehoben, die Behörde ist zurück gerudert. Das man aber auch immer erst Krawall schlagen muss. (Danke, Sascha!)

Die 9-Jährige Martha Payne bloggte seit ein paar Wochen auf NeverSeconds über das Essen an ihrer Schule, was ihr so gar nicht schmecken wollte. Sie machte dazu immer ein Foto wie das obige und man kann verstehen, dass sie sich eine Verbesserung der Essenssituation wünschte. Ich kam Mitte Mai mal auf ihr Blog und war schwer beeindruckt, wie sehr ein so junger Mensch das Netz als solches zu nutzen weiß. Neben den häufig unappetitlichen Fotos, zählte sie auf, was genau auf den Tellern lag, wie oft sie kauen musste und wie es insgesamt schmeckte. Offensichtlich beeindruckte viele andere diese Art des Schreibens, sie hatte innerhalb kürzester Zeit über 2 Millionen Besucher auf ihrem Blog, die Medien rissen sich um sie, Jamie Oliver lobte sie persönlich für ihr Engagement und sogar die Essenssituation an ihrer Schule schien sich zu verbessern. Außerdem schaffte sie es, Geld zu sammeln um damit eine Organisation zu unterstützen, die dafür sorgt auch an solchen Schulen Essen angeboten werden kann, die dafür eigentlich zu arm sind. Sie erreicht also was mit dem, was sie da tat. Als neunjähriges Mädchen. „Wie großartig!“, dachte ich.

Allerdings empfanden die Kritisierten das alles andere als großartig, denn ihr wurde das Fotografieren von Seiten der Schule jetzt verboten, wie sie vorgestern in ihrem letzten Artikel schrieb. “Heute Morgen in der Mathestunde wurde ich von meinem Klassenlehrer aus dem Unterricht geholt. Man sagte mir, dass ich keine Fotos mehr vom Schulessen machen darf wegen der Überschrift in einer Tageszeitung heute.” Ausschlaggebend dafür ist wohl die Britische Schulbehörde, die die öffentliche Kritik offenbar leid war. Zwar untersagte man ihr nicht, weiterhin zu bloggen, allerdings macht das bei ihrem Stil ohne Fotos überhaupt keinen Sinn.

Ich gehe davon aus, dass sich dieses faktische Verbot als solches nicht halten wird und hoffe, dass die Britische Öffentlichkeit ordentlich Alarm macht, so das Martha ihr Blog so weiterführen kann, wie sie es für richtig hält. Alles andere wäre ein nahezu verheerendes Signal für junge Menschen, die über Missstände ganz gleich welcher Art informieren wollen.
(via Astrodicticum Simplex)

12 Kommentare

Die Sache mit den Patrioten und den Nationalisten

Nikolas Westerhoff hat für die Süddeutsche, so als hätte ich darum gebeten, gerade einen sehr lesenswerten Artikel zum Thema Patriotismus und was den vom Nationalismus unterscheidet und dass passt mir hier gerade natürlich ganz besonders gut hinein. Fazit: nicht alle Patrioten sind Nationalisten, aber alle Nationalisten sind Patrioten und die Grenze ist verdammt schwammig.

Doch eine solche Zweiteilung der Menschen in Patrioten und Nationalisten ist politisch motiviert – sie dient dazu, Patriotismus als wünschenswerte Eigenschaft propagieren zu können. Eine empirische Basis für den Unterschied zwischen Vorzeige- und Schmuddelbürgern gibt es jedoch nicht, wie neueste Untersuchungen zeigen.

Zitat trotz Leistungsschutzrecht. Leben am Limit.
(via Nicolas)

3 Kommentare

Gedanken zu der ausufernden Fähnchen-Abknick-Debatte

Erstens: Ist es interessant zu sehen, wie sehr sich Leute über derartige, in China gefertigte,  Kleinigkeiten aufregen können, während der Bundespräsident – wie gestern – nahezu unfassbaren Unsinn von sich gibt.  Überhaupt ist es denkanstößig, wie still es um sonstige innenpolitsche Thematiken und Entscheidungen bleibt, während sich hier doch einige in ihrer nationalen und persönlichen Ehre verletzt sehen.

 Zweitens: Könnte es sein, dass es nachdem hier in den Kommentaren mitunter völlig dümmlich Geschriebenen erst recht Spaß macht, Fähnchen zu knicken. Weil sich manche ja fast in ihrer Existenz bedroht sehen, wenn jemand an ihr Fähnchen geht, was ich durchaus amüsant, ja gar extrem lustig finde.  

Drittens: Zeigt diese Debatte, die ja hier nicht auf politischer, sondern eher auf alltäglicher Basis des Bürgers stattfindet, wie sehr sich die Deutschen nach einem gesellschaftlich akzeptierten und zu pflegenden  Nationalstolz sehnen, förmlich geil darauf sind. „Die Geschichte ruhen lassen, die anderen Nationen machen es genauso!“ und dieser ganze geschitsrelativierende Bullshit, der das alles endlich vergessen machen soll.  

Ich las hier Kommentare, die ich hier nie zu lesen gedacht hätte. Fußball ist das eine, Deutschland als Nation das andere und die Fahne steht nun mal als Symbol für Deutschland als Nation. Da gibt es kein vertun. Und in diesem Lande passieren nun mal Dinge, auf die ich nicht stolz sein kann, weil sie zum Himmel stinken; Punkt. 

Es wäre schön, wenn die Energie, die in so eine fast nichtige Diskussion gesteckt wird, in andere Debatten fließen würde. Aber ich bin nicht naiv und weiß, dass das nur ein frommer Wunsch sein kann. 

Abschließend noch der Hinweis, dass mir Fußball im Regelfall ziemlich latte ist und ich Stolz als Emotion im allgemeinen immer für überflüssig empfinde, denn schon Heinz Hilpert wusste zu verlauten: „Was wir bei uns Stolz nennen, nennen wir bei anderen Aufgeblasenheit. “ Und Schopenhauer legt mit „Der dümmste Stolz ist der Nationalstolz.“ noch einen oben drauf, den ich hier gerne zitiert haben will.

Sicher habe ich hier einiges vergessen, aber eigentlich sollte der Text ursprünglich nur ein Tweet werden, wofür er ein wenig zu lang ist. 

Wenn die Kommentare hier wieder auszuufern drohen, werde ich sie zu machen. 

59 Kommentare