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Kategorie: Täglicher Sinnwahn

Wiedersehen

Heute war der Tag der Tage, ich bin eben mit ihm gefahren. Mit Hannes, wie ich mittlerweile aus zuverlässiger Quelle erfahren habe, den Busfahrer, den alle lieben. Es war ein sehr spektakelfreies Wiedersehen. Er tat so, als hätte er meine Nachricht nicht gefunden, übersehen. Ich konnte aber in seinen Augen sehen, das dem nicht so war. Er sah mich grimmig an, so wie John Rambo wenn seine Oberlippe zu zittern beginnt. Das war es schon. Er hatte heute andere Opfer. Die jungen Frauen, die nach mir einstiegen, hatte er gleich wieder belehrt und als sie sich setzten, erzählten sie sich gegenseitig von ihren Erfahrungen mit dem Mann. Es waren keine guten. Auf der gesamten Fahrt redete er wieder mal auf jeden zweiten Fahrgast ein. Er muss das wohl so haben. Man muss ja im Gespräch bleiben.

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Heute ein König – Morgen ein Arsch

Sie sitzen hinten im hinteren Teil des Busses, dort wo vier Leute sitzen können wobei man sich gegenübersitzt. Diese Viererplätze sind beliebt, weil man die Füsse auf die Sitzplätze gegenüber legen kann. Vorausgesetzt, der Bus hat keine Kameras. Die Fahrer nämlich tickern ausnahmslos alle aus, wenn sie hochgelegte Füsse auf ihre Monitore bekommen. Manchmal denke ich, sie seien nur dazu da, um Leute vollzuferzen, die ihre Füsse hochlegen, aber in den Zeiten, in denen in jedem Bus mindestens 37 Kameras das Geschehen zum Fahrer funken, werden auch die sich dann mal wieder aufs Fahren konzentrieren können.

Es sind zwei Männchen und zwei Weibchen, alle um die achtzehn Jahre jung. Es geht um ihre Perspektiven und darum, wie es denn nach der Schule weitergehen soll. Die Mädels wissen nicht so recht. Vielleicht FH, vielleicht Berlin, vielleicht gar keine Ahnung und erstmal gucken. Klingt nach kalkuliertem Nichtstun. Sehr sympathisch. Eines der Männchen hat sich für Tischler entschieden. Ja, geht. Tischler geht immer. Da kann man auch noch was draus machen, wenn man die Ausbildung fertig hat, denke ich mir. Warum er dafür nun dreizehn Jahre lang zur Schule gegangen ist, wird mir weder klar, noch wird es Thema der Runde. Das muss wohl heute so. Der angehende Tischler fragt das andere Männchen, wie viele Jahre es denn nun werden sollen als Uffz. „Machste acht, oder zwölf?“ fragt er den, der sich immer schon selber als den Kuhlsten der Runde betrachtete. Ich kenne die schon ein paar Jahre, ich fahre seit gut fünf Jahren diese Strecke, als sie noch Dreizehn waren und modisch genauso am Dorf orientiert, wie heute auch. Er war immer einer jener Männchen, die viel lauter vom Wochenende erzählen als nötig. So, dass auch der ganze Bus etwas von seinen Geschichten hatte. Das die keinen interessierten, interessierte ihn dabei kein bisschen. Alle sollten hören, was für ein unglaublich kuhler Typ er ist. Er machte jede Mode mit. Erst waren es Baggy-Jeans, dann der Softie-Iro mit Stränchen, später dann Jeans-in-die-Socken, Picaldi und Minikappe. Heute eben Berlin-Mitte Struwelschnitt und Pali-Tuch, wobei immer noch zu sehen ist, dass er eher vom Lande kommt.

Er also, der geile Typ, die alte Feiersau und seines Zeichens Schwerenöter hat sich beim Bund verpflichtet. „Für acht Jahre“, wie er sagt. „Es gibt einfach nichts anderes“, sagt er noch, was wie eine Rechtfertigung klingt, die er zu recht anbringt nur eben fälschlich begründet. Er sagt nicht, dass das der einfachste Weg für ihn sei, was ehrlicher gewesen wäre. Das alles andere schwieriger gewesen wäre, sparsamer, unsicherer sagt er ebenso wenig. Auch nicht, dass er nicht den Arsch in der Hose hat, sich durch die Jahre des Studiums zu beisen. Das könne „man da auch. Und zwar viel einfacher. Dazu noch werde das bezahlt. Die stecken einem alles in den Arsch und man bekommt noch Geld dafür.“, freut er sich. Ich sage ihm nicht, dass er bisher wohl eher versucht war, den Eindruck zu erwecken, als gehöre er nicht zu jenen, die sich gerne irgendetwas in den Arsch stecken lassen. Er versucht das so ziemlich Unkuhlste der Welt als kuhl zu verkaufen. „Nach ein paar Monaten könne er wieder in die Nähe.“, sagt er zwinkernd zu einem der Mädchen, die ihn eigentlich immer ein wenig anhimmelte. Bis heute. Sie will nach Berlin, vielleicht gar keine Ahnung und erstmal gucken. Kalkuliertes Nichtstun. Was soll sie auch mit einem Bundi? Er wird das nicht verstehen.

Draußen läuft R. vorbei, für den es wahrscheinlich weder zum Bund noch zur Ausbildungsstelle reichen wird. In diesem Moment erscheint selbst er mir kuhler, als der angehende Befehlsempfänger.

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Die drei vermeintlich hippen Mitzwangzigerinnen treffen sich erst vor der Deutschen Bank um gemeinsam Geld zu holen. Danach gehen sie zu H&M um jenes Geld gemeinsam auszugeben, was die vermeintliche Hippness ja auch wieder relativiert.

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Diese Blicke

Wenn man mit vier Kindern in der Öffentlichkeit unterwegs ist, erntet man allerhand vielsagende Blicke. Es spielt dabei gar keine Rolle, ob es deine eigenen sind oder nicht, was auch nicht immer ginge, wenn z.B. drei davon im selben Alter sind, aber das nur nebenbei. Manche merken es halt einfach nicht. Die Menschen schauen einen an und vergessen offenbar den Grundsatz, dass „Nichts ist, wie es scheint“. Sie ordnen dir die Kinder zu. Alle vier. Oder fünf, oder sechs. Je nachdem. Manche schauen mitleidig, andere erfreut, was am Gedanken an ihre Rente liegen muss. Das sind meistens Frauen der älteren Semester. Einige schauen regelrecht angewidert, mit der Frage in den Augen: „Pfui, wie kann man nur heutzutage?“.
Es ist alles dabei, aber fast immer glaubt man in diesen Blicken lesen zu können: „O mein Gott.“

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Auf der Suche nach

Im Supermarkt, der kein ordinärer Discounter ist, schlürfen zwei Osteuropäer durch die Gänge. Einer von ihnen hält einen kleinen Zettel in der Hand, als sei es eine Trophäe. Es ist der Pfandbon, der offenbar den Lohn ihrer heutigen Mühe sammelt und ein Stück vom so bunten Kosumleben für heute sichern soll. Sie stehen eine halbe Ewigkeit vor jedem Artikel, der nur irgendwie essbar erscheint und eine bestimmte Summe, wahrscheinlich die, die der Pfandbon hergibt, nicht überschreitet. So debattieren sie über Senf, vergleichen den Preis vom Bautz’ner mit dem vom Dijon, sehen sich mit wollenden Augen die Auslage des Kühlfachs an, in dem das Eis in Einzelportionen liegt und bleiben endgültig vor dem Regal stehen, dass die Süßigkeiten beherbergt. Ununterbrochen reden sie miteinander in einer Sprache, die ich nicht kenne und immer wieder weisen sie sich gegenseitig auf den Betrag hin, der auf dem Bon steht. Nicht im Streit, eher sehr demokratisch geht es zu bei den Beiden. Sie müssen von soweit östlich kommen, dass man ihre Herkunft irgendwie schon erst einmal mit Armut verbindet. Sie werden auch nichts klauen, sie werden so lange suchen, bis sie etwas gefunden haben, was vielleicht noch ein paar Cent für morgen übrig bleiben lässt und sie sich dennoch für den heutigen Tag belohnen können.

Sie bleiben länger in dem Laden als ich und vielleicht sind sie auch immer noch da, sind auf der Suche nach etwas, wovon sie selber nicht wissen, was das sein könnte. Als ich gehe, muss ich an jenen Tag denken, an dem ich im Herbst 89 mit meinem 2DM-Stück stundenlang durch Karstadt am Hermannplatz gelaufen bin, auf der Suche nach etwas, was mich in dem Moment glücklich machen könnte. Ich kaufte damals einen Sechser-Pack Cherry Coke und einen Füllfederhalter. Ich hoffe, auch sie konnten sich heute eine ähnliche Freude machen, wie ich damals.

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Na gut, dass ich da nicht mehr wohne

Ich bin da weggezogen, hätte aber nie gedacht, dass ich das rückblickend mal an dem Theater festmachen würde. Das nämlich hat ab dem 30. März ein neues Stück auf der Bühne. Skandale gehen ja immer gut im Theater. Das dachte sich Regisseur Uwe Eric Laufenberg offenbar auch und bringt die „Satanischen Verse“.

…so mag man den Theatermacher Laufenberg wahlweise mutig und aufklärerisch oder auch verrückt nennen.

schreibt der Tagesspiegel heute, wobei ich mir erst noch überlegen muss, in welche der drei angebotenen Kisten ich den nun stecken würde. Sicher ist: bei soviel dann vorhandener Polizeipräsenz kann man sich da mal so richtig sicher fühlen. Ganz sicher. Nun denn: viel Spass in der Berliner Strasse mit den Versen.

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Wenn Papa ein Neonazi ist

Ich habe mir abgewöhnt, direkt über Leute nachzudenken, die ich mit Stiefeln, kahlgeschorenem Kopf, und eindeutigen Symbolen auf den Klamotten da draußen rumlaufen sehe. Mach ich nicht mehr. Dafür sieht man die einfach zu häufig. Es ist eher so ein Problem, das sich aus der Summe derer zusammensetzt, worüber ich mir dann doch wieder Gedanken mache. Wenn ich persönlich mit so jemandem zusammentreffe und mich aus irgendeinem Grund mit dem auseinandersetzen muss, sieht das auch etwas anders aus.

Heute sah ich mal wieder so einen Typen. Er wog circa 150 Kilo, trug Glatze, Stiefel, jede Menge eindeutige Aufnäher auf der Jacke und hatte seine Tochter am Arm. Er war herzlich mit ihr, lachte mit ihr und machte jede Menge Späße. Da kam in mir die Frage auf, wie das wohl so ist für ein Kind, wenn der Vater Neonazi ist? Was erzählt er ihr wohl, wenn er die Bahn verlässt, über die dunkelhäutige Frau erzählen, die in der Bahn neben ihm stand. Was, über den Türken, der vorne den Dönerladen macht? Was erzählt er ihr wohl, über Toleranz, über Respekt, über das menschliche Miteinander im Allgemeinen. Spricht er überhaupt mit ihr über so etwas, oder blendet er das aus? Redet er mit ihr genauso über solche Themen, wie er das mit seinen Kumpels macht? Ob er sie, vielleicht sogar unbewusst, politisch agitiert, ohne zu ahnen, was das Kind damit gedanklich mal anstellt? Wer sind die Guten, wer sind die Bösen? Und wie vermittelt er das wohl? Und wie wohl wird sie das später mal empfinden, wenn sie erstmal 18 ist?

Kann sein, vielleicht ist er auch genauso, wie man es von einem „guten Vater“ nicht anders erwarten würde. Vielleicht ist er sogar genau das. Dennoch treibt mich die Frage, wie er sich seiner Tochter gegenüber gibt, wenn er über Deutschland spricht. Über Ausländer, Schwule, Juden und über seinen Opa.

Es war so unwirklich. Er wirkte so verdammt menschlich im Umgang mit seinem Kind. So, wie ich es mir nicht vorgestellt hätte.

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Plupp

Nicht kuhl, wenn du im Bus so fest einschläfst, dass du in einer Kurve aus dem Sitz fällst und dich dann benebelt auf dem Gang wieder findest. Schon lustig aber irgendwie, wenn das nicht dir, sondern dem Mann vor dir passiert.

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Herzlichst idealisiert

Die kleine Tochter der zwar leicht militanten, und gerade deshalb dennoch sehr sympathischen Veganerin musste sich heute von der kleinen Tochter des Nicht-Veganers (in diesem Fall ich) darüber aufklären lassen, wie das Fell eines Schafes bearbeitet werden muss, bevor man es als Wolle nutzen kann. Als die Geschichte beendet war sagt sie mit angewidertem Blick: „So eine fiese Tierquälerei!“. Ich sage dann, dass das Schaf da ja schon nicht mehr lebt und es deshalb ja eigentlich nicht mehr gequält werden konnte. Sie darauf: „Ja, eben! Trotzdem! Pah!“

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