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Auf der Suche nach

Im Supermarkt, der kein ordinärer Discounter ist, schlürfen zwei Osteuropäer durch die Gänge. Einer von ihnen hält einen kleinen Zettel in der Hand, als sei es eine Trophäe. Es ist der Pfandbon, der offenbar den Lohn ihrer heutigen Mühe sammelt und ein Stück vom so bunten Kosumleben für heute sichern soll. Sie stehen eine halbe Ewigkeit vor jedem Artikel, der nur irgendwie essbar erscheint und eine bestimmte Summe, wahrscheinlich die, die der Pfandbon hergibt, nicht überschreitet. So debattieren sie über Senf, vergleichen den Preis vom Bautz’ner mit dem vom Dijon, sehen sich mit wollenden Augen die Auslage des Kühlfachs an, in dem das Eis in Einzelportionen liegt und bleiben endgültig vor dem Regal stehen, dass die Süßigkeiten beherbergt. Ununterbrochen reden sie miteinander in einer Sprache, die ich nicht kenne und immer wieder weisen sie sich gegenseitig auf den Betrag hin, der auf dem Bon steht. Nicht im Streit, eher sehr demokratisch geht es zu bei den Beiden. Sie müssen von soweit östlich kommen, dass man ihre Herkunft irgendwie schon erst einmal mit Armut verbindet. Sie werden auch nichts klauen, sie werden so lange suchen, bis sie etwas gefunden haben, was vielleicht noch ein paar Cent für morgen übrig bleiben lässt und sie sich dennoch für den heutigen Tag belohnen können.

Sie bleiben länger in dem Laden als ich und vielleicht sind sie auch immer noch da, sind auf der Suche nach etwas, wovon sie selber nicht wissen, was das sein könnte. Als ich gehe, muss ich an jenen Tag denken, an dem ich im Herbst 89 mit meinem 2DM-Stück stundenlang durch Karstadt am Hermannplatz gelaufen bin, auf der Suche nach etwas, was mich in dem Moment glücklich machen könnte. Ich kaufte damals einen Sechser-Pack Cherry Coke und einen Füllfederhalter. Ich hoffe, auch sie konnten sich heute eine ähnliche Freude machen, wie ich damals.

5 Kommentare

  1. julie paradise26. März 2008 at 00:11

    Manchmal, lieber Saint, bin ich so merkwürdig berührt von Deinen Texten, und nicke und fühle mehr als ich denke: „Ja.“ Und dann denke ich doch, und überlege, und was ich alles schreiben könnte, klingt plötzlich blechern und hohl und banal und doof, und dann schreibe ich gar nichts. Hilflos fühlt sich das an, andererseits muß man ja auch nicht überall seinen Senf dazugeben, schon klar, aber irgendwie … wollte ich doch mehr sagen, als das hier, und jetzt fällt mir doch nichts Besseres ein als

    .

  2. Saint26. März 2008 at 00:22

    Danke schön, das reicht mir vollkommen. ;)

  3. Maelicitas26. März 2008 at 10:10

    Ich hab nen sechser Pack Berliner Pilsner für meinen Dad gekauft. Das sind genau die Erinnerungen die man nie vergisst. Vom zweiten Begrüßungsgeld (ich stand ja noch im Ausweis meiner Eltern, obwohl ich schon nen eigenen hatte) kaufte ich mir nen Recorder. Danke.

  4. inge26. März 2008 at 13:38

    ein ferngesteuertes auto hab ich mir damals gekauft aber so eins was nur beim rückwärts fahren lenken konnte.

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