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Die Berliner Zeitung über die Klub- und Drogenwelt Berlins und was Marie daran nicht ganz so gut gefällt

Wie man das seit nun schon gut 20 Jahren gewohnt ist, erscheint in steter Regelmäßigkeit in jeglichen Berliner Postillen mindestens ein Artikel über die Berliner Klublandschaft. Meistens geifert der nur so Abgedrehtheit, verrückten Sachständen und vor allem nach völlig ungezügeltem Drogenkonsum.

Man liest es, oder lässt es – so wie ich – bleiben, weil man das meistens eh schon mindestens 48 Mal gelesen hat und weil einem die Realität regelmäßig ein anderes Bild vermittelt. Also gibt man keinen Fick drauf.

Alexander Tieg hat nun wieder einen dieser Reißer für die Berliner Zeitung geschrieben. „Wie bekloppt sind wir eigentlich? titelt er fragend und man liest eben wieder all das, was da eben immer so stehen muss, damit es irgendwie bei den Lesenden wirken kann: Party ohne Ende, Suff, Drogen, Drogen, Drogen, schlimme Schicksale. Alles ganz furchtbar.

Die Leute lesen das, denken so: „Aaaalter, was da in Berlin los! AU-WEI-A!“ und nehmen das eben dann abends so mit ins Bett. Tieg schreibt hier das, was andere seit Jahren immer wieder gerne mal schreiben, wenn auch nicht aus der expliziten Ich-Perspektive, die klar macht, dass er dabei, dass er mittendrin war.

Das Ding geht online, die Leute lesen, die Leute kommentieren. Und dann, an siebenter Stelle, kommentiert Marie. Marie hat mit dem Schreiber während seiner Recherche zusammengewohnt und sieht die Dinge überraschender Weise etwas anders als Alex, aber sie muss ja auch nicht für eine Zeitung schreiben.

Alex hat im Frühling 3 Monate bei uns gewohnt, weil er Praktikum bei der Berliner Zeitung macht. Alex hat mich zwei, maximal dreimal feiern gehen sehen in der Zeit. Unser Herr Journalist hat mich zusätzlich mehrmals zum Feiern animieren wollen, damit er was zum Schreiben hat. Teilweise musste ich ihm 10mal sagen, dass ich mich nunmal nicht jedes Wochenende „abschießen“ mag, wie er es nannte. Da kam dann so was abfälliges wie „Ach komm schon. Dann kippste dir halt deine Pulle Rotkäppchen hinter und dann geht’s ab auf die Piste“. Also ehrlich… wer ist denn da kaputt im Kopf? Außerdem habe ich meine Abschlussprüfung im Februar gemacht. Alex hat bis Mai bei uns gewohnt… Ich bin ebenfalls 23 und kurz vor meiner Diplomarbeit. Ich hab mein Studium straff durchgezogen und mir nach meiner Prüfung erlaubt paar Monate was anderes zu tun. Find ich jetzt auch nicht soooo unnormal. Zumal ich mir das nicht als Hostess, sondern als Werkstudentin in einer seriösen Agentur im Gesundheitsbereich, selber finanziere. Einen Job, den ich übrigens nicht belanglos finde. Mein Freund fängt im Oktober ebenfalls an zu studieren. Wir sind tatsächlich nicht mehr als ein Haufen junger Menschen, die neben den 5 Tagen unter der Woche, die für uns auch zählen, dann und wann gerne feiern geht. Das ist vielleicht nicht das allererste, was mir einfällt unter den Dingen, auf die ich stolz bin. Zugegeben. Aber ich schäme mich auch nicht dafür. Daneben aber arbeiten wir, machen Sport, treffen Freunde, gehen ins Kino oder Theater, gehen Segeln, machen ne Schlösserbesichtigung, gehen brunchen, shoppen, erzählen uns Witze und lesen Comics. Aber das ist für eine Story wohl nicht spannend genug. Ich finde es traurig, dass es Idioten wie Alex gibt, die sich in Ihrer Selbstgefälligkeit erlauben uns so darzustellen, und noch viel trauriger, dass andere selbstgefällige Menschen auf solch verzerrender Berichterstattung beruhend über Menschen wie mich und meine Freunde derart urteilen und mit Worten wie „Opfer“ um sich schmeißen.

Natürlich liegt die Wahrheit wahrscheinlich wieder ein mal irgendwo dazwischen, die Frage ist nur, wie viel Glauben man einem derartigen Artikel noch schenken kann, wenn doch schon die Hälfte nach Fake stinkt. Und man stelle sich vor, man übertrüge dieses Bewusstsein dann noch auf all die anderen Artikel, die man täglich so zu lesen bekommt. Herrlich!

(via Tanith sein FB)

12 Kommentare

  1. da]v[ax26. September 2012 at 23:13

    Hahaha, peinlich, wenn die Realität anklopft :-) und die erzählen uns was von Qualitätsjournalismus. Hihi.

  2. Marc26. September 2012 at 23:25

    Der Journalismus ist zu einem Geschäft geworden. Journalistische Ethik, saubere, lange Recherchen sind zur Seltenheit geworden und wenn diese dann doch einmal durchgeführt werden und keine „quotenträchtige“ Story liefern, fällt sie entweder hinten runter oder wird so umgeschrieben, dass sie für Aufmerksamkeit sorgt. Am leichtesten geht das so manchen „Redakteuren“ von der Hand, wenn sie sich um ein ein Thema kümmern, welches schon mit reichlich Vorurteilen und Klischees behaftet ist: Clubszene, Türsteher, Hooligans, PC-Spiele, egal was, hier lässt sich immer was draus stricken. Als ich vor 20 Jahren anfing, für eine Tageszeitung zu arbeiten, musste ich die journalistischen Grundprinzipien erst ein Mal auswendig lernen. Und eine gute Story war immer eine gut recherchierte Story. Hätte ich gewagt, etwas zu konstruieren, wäre ich hochkant aus der Redaktion geworfen worden.
    Der Artikel ist imho übrigens der klägliche Versuch von Alexander Tieg, sich der „urban street writer Szene“ à la Axolotl anzubiedern. Ansonsten ist der Artikel, wie Ronny schreibt, eigentlich nicht der Rede wert und ein Fanal für den Journalismus.

  3. John26. September 2012 at 23:31

    Diese Art von Berichten sind doch so eine Art von Karriere-Kickstartern bei Zeitungspraktikanten. Wenn du keinen „Illegale-Club-Drogen-Ach-Berlin-Ist-Das-Alles-Wild“-Stück abgegeben hast, wirst Du heute nichts mehr im Journalismus :-)

    Kollateralschaden ist bei sowas dann eben die Realität oder im schlimmeren Fall dann ein enttarnter illegaler Club, der ein paar Tage später Besuch vom Amt bekommt und zugemacht wird. Alles schon vorgekommen, weil sich kleine Möchtegern-Keta-Investigativjournalisten beim Chef vom Dienst die goldene Drogenreportage-Anstecknadel verdienen wollen.

  4. Jens26. September 2012 at 23:32

    Und dann gibt es Leute, die solche Berichte leider als bare Münze nehmen und ganze Feierkulturen korrumpieren.

  5. knarf27. September 2012 at 00:53

    zum einen: wer schreibt da, dass er menschen anfang 20 einen gewissen lebenshunger vorwirft?! zum anderen: der text ist formal echt schlecht. simpelste, sich ständig wiederholende satzstrukturen. keine raffinesse in der schreibe und außer den typischen, abgeklärt wirkenden, klischekisten nichts neues…

  6. Stylons27. September 2012 at 12:09

    Also wenn man sich ne Pulle Rotkäppchen hinter gekippt hat ist der Artikel doch ganz gut.

    Alexander Tieg also…hm…also ich merk mir ja sonst keine Namen, aber da könnt ich ne Ausnahme machen.

  7. […] zum regelmäßigen Papierverschwendungsprogramm gehören. Soweit, so langweilig. Doch dann kommt Marie und klärt in den Kommentaren mal eben darüber auf, wie der Artikel zustande kam und was es mit […]

  8. bnzlovesyou27. September 2012 at 13:58

    hab den artikel überflogen…. und gut ist.

    ich hab sicherlich nen paar freunde die genauso ihre wochenenden verbringen, aber ein ganz anderer teil auch nicht so.

    ich finds irgendwie von allen seiten peinlich, auch die politik die jetzt von den clubs bzw. der szene kommt.

    gibts nichts schlimmeres? wichtigeres?

  9. jan27. September 2012 at 14:19

    schön das es noch menschen gibt die sich zeit nehmen um gewisse dinge wieder ins rechte licht zurücken

  10. Links 2012-09-27 | -=daMax=-27. September 2012 at 17:49

    […] sich an einem drogenbenebelten Artikel über die Berliner Clubszene und die Realität meldet sich in Form eines Kommentars seiner Mitbewohnerin. Qualitätsjournalismus vom […]

  11. fALk27. September 2012 at 20:02

    Genau deswegen gibt es die Kommentarfunktion nur für die die sie ausschalten woll(t)en ;) Erstaunlich das die bei solch gefakten Artikeln das kommentieren zulassen un dann nicht zensieren.

  12. Dragan3. Oktober 2012 at 06:12

    Oh ja, alle die sich tagelang im Kater und ähnlichen Lokalitäten vergnügen, sind nur auf Tee,Red Bull und Kaffee..Keiner schießt sich ab und die Welt ist eine Scheibe. Ein wirklich interessanter Artikel, würde das Thema, verantwortungsvoller und bewusster Umgang mit Drogen behandeln. Nach dem „Werbefilm Berlin Calling“, muss ja auch der letzte Touri aus Hintertutzingen mal an der Klobrille riechen…

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