Sie ist keine 25, ihr Körper, halb versteckt unter einer dunklen, fettigen Schürze, sieht aus wie die Hall of Fame einer städtischen Tattoo-Bude. Sie zeigt das gerne. Sie steht am Autobahnzubringer allein hinter einer dampfenden Gulaschkanone, aus der sie mit einer viel zu großen Kelle Erbsensuppe mit Würstchen verkauft. Nebenbei dreht sie auf dem Grill die „echte Thüringer“. Es ist ihr Holzverschlag, in Eigenregie zusammen gezimmert, ein Dach aus schon versifftem Acryl-Glas schützt vor dem Regen, die Wände mit Bauplanen gegen den Windzug bespannt, innen zwei fast immer gänzlich besetzte Bierzelt-Garnituren. Nicht schön ist es, aber ihres, ihre Existenz, ihr Leben. Wenn sie mal Zeit oder Pause hat, steht sie rauchend neben den LKW-Fahrern und schaut sich ernsthaft interessiert die Motoren ihrer 40-Tonner an, kriecht fast rein in die Öffnung, die durch die hochgeklappten Fahrerkabinen entstehen, die dann aussehen als wären sie hungrige Mäuler, die zu fressen sie versuchen. Manchmal legt sie dann ihre Schürze ab und zeigt den danach fragenden Truckern ihre Tattoos. Manchmal, wenn ich abends während der langsam einsetzenden Dunkelheit mit dem Bus an ihr vorbei fahre, sitzt sie mit den dort im LKW schlafenden Fahrern zusammen und trinkt mit ihnen Bier. Dann würde ich gerne immer aussteigen und sie nach ihren Träumen fragen.
Ein kleines Stück Route 66 mitten in Brandenburg.