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Punk sein in Ost-Berlin – „Schräge Zeit“, eine Doku von Ólafur Sveinsson

Superinteressante, mir bisher unbekannte Dokumentation über Punks in Ost-Berlin zu Beginn der 80er Jahre. Ich habe jetzt etwa die Hälfte gesehen und staune wieder einmal mehr, wie weit manche Jugendliche im Hinblick auf die garantiert zu erwartenden Repressionen tatsächlich gingen. Und das wobei sie wussten, was auf sie zukommen könnte und auch würde. Punk, der woanders echter wohl kaum hätte sein können.

Ost-Berlin, Anfang der 80er Jahre: Eine Gruppe junger Leute, die den Glauben an den „real existierenden Sozialismus“ verloren hat, lehnt sich gegen die Unzulänglichkeiten des DDR-Systems auf.

Einer von ihnen, der 1963 in Güstrow geborene und in Ost-Berlin aufgewachsene Jan, opponiert als Punk in der berüchtigten Band „Der demokratische Konsum“. In dieser Zeit gerät er ins Blickfeld der Stasi. Ein wildes Leben beginnt. Er und seine Freunde leben, als wäre jeder Tag der letzte, und es gelingt ihnen, sich Freiräume zu schaffen, die man im Alltag der Deutschen Demokratischen Republik nicht für möglich gehalten hätte.

Dennoch ist allen bald klar, dass sie diese Republik verlassen müssen. Um der DDR zu entfliehen, heiratet Jan 1987 eine Isländerin. Im Westen angekommen, ändert er sein Leben radikal. Der Fall der Mauer versetzt ihn in Euphorie. Er kauft Häuser im Osten, eröffnet einen Mini-Supermarkt und macht Geschäfte mit russischen Soldaten. Plötzlich hat er alles, was er sich gewünscht hat: viel Geld und eine Familie. 1991 wird Jan die Diagnose „manisch-depressiv“ gestellt, und er verbringt einige Monate in der geschlossenen Psychiatrie. Zehn Jahre später hat er ein kleines Schiff gekauft, auf dem er als Selbsttherapie die Sommer auf den Gewässern von Berlin verbringt.

Im Mittelpunkt des Dokumentarfilms „Schräge Zeit“ steht eine außergewöhnliche deutsch-deutsche Biografie, die eng mit der turbulenten Geschichte Berlins der letzten 20 Jahre verbunden ist . Anhand von Interviews, Fotos und Archivmaterial erzählt der isländische Autor Ólafur Sveinsson, der seit vielen Jahren in Berlin lebt und arbeitet, Jans packende Lebensgeschichte, außerdem von zahlreichen lustigen, absurden, tragischen und gefährlichen Momenten der Wendezeit.


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6 Kommentare

  1. Supkult6. Dezember 2012 at 19:45

    Textgut:

    fett bin ich geworden
    mein fleisch schiebt und schiebt
    der fernseher hämmert bilderweise
    rauch liegt in der luft

    fett bin ich geworden
    erinnerungen
    zeitweise stoßhaft, ich
    voller kraft
    träume rauschen fort

    fett bin ich geworden
    und du neben mir
    verlassen und leer,
    wunschlos glücklich
    sehen wir uns fern

    aus Eine Konsum Fibel, ca. 1983-1984 (Eigenverlag durch die Band)

  2. ostpunk6. Dezember 2012 at 23:23

    wie jetzt.. ein Punk ist 1987 in den Westen und war 2 Jahre später in der Lage Häuser(!) zu kaufen?? Hallo? Ein Punk kauft Häuser..tsss… na gut die Grünen befürworten Bundeswehreinsätze, die SPD verrät die Arbeiterschaft, warum sollte ein Punk also keine Häuser kaufen.

  3. Postman7. Dezember 2012 at 01:23

    ‚Punk sein in Ost-Berlin‘ trifft des Pudels Kern eher unzureichend. Wenn schon, dann ‚Post-Punk in Ost-Berlin‘. Ist aber nur ein – eher unwichtiger – Punkt, weil das eigentliche Thema dieses Films die nonkonformistischen Lebensläufe der Protagonisten sind, welche von der ersten Punk-Generation in der ehemaligen DDR wegen anderen Lebenserfahrungen durchaus argwöhnisch betrachtet werden dürfen. Das mal dazu…

    Dennoch hat auch diese Dokumentation ihre Berechtigung, weil hier endlich einmal über den Schwerpunkt Ausreise offen gesprochen wird. Ich zumindestens erinnere mich nämlich noch daran, wie bitter die Folgen für alle Beteiligten damals gewesen sind. Schon aus diesem Grund ertrug ich dann auch manche für mich unwichtige Details.

    Ob Punk nun politisch oder ’nur‘ gefühlsmässig gemeint war, überlasse ich dem Auge des Betrachters. Mir jedenfalls schießt bis heute das Adrenalin in die Venen, wenn ich ‚Zurück zum Beton‘ von S.Y.P.H. (http://www.youtube.com/watch?v=zMQ-dafBR9k&) höre. Das gleiche Phänomen erlebe ich bei Feeling B’s ‚Unter dem Plaster’… ;)

    Politisch korrekt? Euch sch**ß ich was! Ich will ich sein! Amen!

  4. Lia8. Dezember 2012 at 22:07

    Dieses Video ist nicht verfügbar.
    Das tut uns leid.
    Hätt ich gern gesehen. Hat noch jemand einen Alternativlink? :(

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