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Während ihr schlieft – Nachts in den guten Vierteln

Diese Bilderserie ist mit Abstand das Beste, was ich seit langem gesehen habe. Weil sie so unheimlich viel Platz für Interpretationen zulässt. Hier meine: Holger Schilling ist in den Nächten mit Kamera los gezogen und hat in den Vierteln, wie ich sie hier aus Dahlem, Zehlendorf, Teltow, Kleinmachnow, Rangsdorf, Fichtenwalde und dem sonstigem Berliner Umland kenne, die Häuser von denen fotografiert, die offenbar „auf den Cent nicht achten müssen“. Erspart mir das Thema von Krediten und so, Ihr wisst schon, was ich meine. Eigenheim, heile Welt, Rollläden runter, es ist Nacht, wir haben unsere Ruhe und so.

Da geht der also hin und macht dann, wenn alle pennen, Bilder der Häuser von denen und haut einen solchen Text vor seine Fotoserie, und nennt sie „Während ihr schlieft„.

Während ihr schlieft revolutionierten wir die Welt.
Während ihr in euren Bunkern saßt veränderten wir die Musik
und während ihr euch über die gepiercten und tätowierten
aufregt definierten wir die Mode.

Was als eine Hommage an die 68er begann, als ein Spiegelbild
der Erscheinung und der Persönlichkeit einer vielleicht zu
scheinbar revolutionären Generation, wurde zu einer Studie
der Nachkriegsarchitektur. Entwickeltes und Gestaltetes wurde
verlassen – der Nachkriegstyp ist der Archetyp. Kleine Universen
die durch ihre Gleichheit zum Paradoxon werden. Die Bauhaus-
architektur findet hier ihr Gegenstück und bildet in ihrer formalen
Strenge und Moderne die Übertreibung dieses Archetyps.

Während ihr schlieft ist das Bild der Stadt – Das Bauhaus des kleinen Mannes.

Großartig!

5 Kommentare

  1. jens7. April 2010 at 09:14

    genial! auch die bastionen sind klasse.
    sorry, aber das musste ich posten. ;)

  2. Fette Kette7. April 2010 at 10:50

    Ohne Zweifel super Fotos, aber ist das nicht genau das, was Ilse gerade Google Street View verbieten will?!

  3. Frank7. April 2010 at 23:17

    Hervorragende Serie. Ich habe so eine ähnliche Bebauung in meiner Nähe und habe vor Details dieser Strenge herauszuarbeiten. Also, klasse Inspiration.

    Ach ja, das dritte Foto erinnert mich an Gurskys Rhein Foto.

  4. Anonymous9. April 2010 at 18:01

    Die Fotos sind ohne Zweifel schön. Sehr sogar… aber die Texte zu den Bildern. Na, ja. Sind nicht gerade Intoleranz, Überheblichkeit und Vorurteil gängige Kennzeichen von Spießigkeit? Ist es direkt zu verurteilen, wenn jemand abends seine Rolläden herunterlässt? Oder anders gefragt: Ist der, der in urbanen Zusammenhängen, fernab der Vorstadt, lebt automatisch ein Avantgardist.
    Wahre Engstirnigkeit offenbart sich nicht automatisch am Gartezaun / an der WG-Tür.

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