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Das Kraftfuttermischwerk Beiträge

Hab ihn lange nicht gesehen, locker 18 Monate. Damals war er auf der Suche nach Arbeit, arbeiten kann er. Wie ein Tier, wenn es sein muss. Eine Ausbildung hat er nicht geschafft, auch nach drei Versuchen nicht. Das war alles nicht so seines, mit den Chefs und so. Er war damals gerade bei seinem Vater raus, der zusammen mit seinen zwei erwachsenen Söhnen in zwei Zimmern hauste. Hauste. Wohnen würde nicht passen, leben auch nicht. Sein Vater war schwerer Alkoholiker, seitdem seine Frau überraschend starb. Seine Söhne auch, das verband sie, verbindet sie heute noch. Sein Bruder braucht das, ansonsten flattern ihm die Hände. Morgens schon. Ihm wurde das zu viel, deshalb ging er, obwohl es ihm schwer fiel, sehr schwer fiel. Bei seiner Oma brauchte er nur „ein Bett und eine Zahnbürste“ und während er das sagt, sieht man ihm an, dass er lügt. Er liebt seine Familie. Sehr. Auf sie lässt er nichts kommen. Gar nichts. Nicht das geringste.

Damals ging er gerade nach Berlin, weil er das „hier“ alles nicht mehr aushielt. Er knüppelte für einen Hungerlohn und lies sich das hart ersparte Geld von einem „Kumpel“ abziehen, der damit die Wohnung bezahlte, in der sie gemeinsam lebten. Den Rest verdrogte er. Sein Kumpel, nicht er. Er zahlte viel mehr, als die Wohnung kostete. Das ging nicht lange gut. Natürlich nicht.

So kam er zurück, dahin, wo er herkam, dahin wo er hingehörte, wie er sagt. Das meint er so. Er heuerte bei einem Griechen an, für die Küche. Der Laden lief nicht schlecht, er läuft immer noch. Er ist jetzt Küchenchef, was neben mir der gesamte Bus riechen konnte, ohne das er hätte was sagen müssen. Er ist „ein guter Junge“, wie man so sagt. Nett auch, natürlich. Ich mag ihn. Er hat sein Leben irgendwie auf die Reihe bekommen, auch wenn er Umwege fahren musste. Wir begrüßten uns kurz. Kurz, weil er mir schneller als ich es wissen wollte, mitteilen musste, das er Vater wird. Vater. Das ging schnell, aber ich freue mich für ihn. Ich wünsche ihm Alles. Wirklich. Er hat es verdient. Leider kommt es so oft so anders, was ich ihm nicht sagte. Natürlich nicht. Er freut sich, auch wenn er dann „das mit dem Suff in den Griff“ kriegen muss. Keine Ahnung, ob er das schaffen kann.

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Wenn der Westerwelle im Herbst wirklich und wahrhaftig Außenminister werden sollte, könnte man ja auch mal darüber nachdenken, seine deutsche Staatsbürgerschaft abzulegen.

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Relaunch: Tokyo Dawn Records

So. Da sind sie wieder im Netz. Mit einer sehr schicken Page, auf der sie das ganze Web 2.0 Ding so konsequent einsetzen, wie ich es bisher nicht gesehen habe. Einzig das Menü ist auf dem eigenen Server gehostet, der Rest kommt von draußen, wobei alle Netzdienste gebündelt werden. Vorneweg: Twitter. Das sieht zwar nicht sonderlich schön aus, ist aber dennoch eine klasse Idee.

Ich bin gespannt, wie es musikalisch dort jetzt weiter gehen wird und sage: Welcome back!

www.tokyodawn.net

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Dinge, die ich nicht verstehen muss: Chris Cornell lässt sich einen Song von Timbaland schnitzen und das klingt ganz und gar gruselig. Verrückte Welt.

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Die Kleine in unserem Kaff hatte einen großen Bruder, er war sieben Jahre älter als wir und leitete den Ortsgruppenverband der Jungen Nationalen oder das, was man heute darunter versteht, trug 9-Loch Walkers, hochgeschraubt, in denen natürlich weiße Schnürsenkel steckten, hochgekrempelte Domestos501er, Lonsdale Hoodie und Bomberjacke, die er später gegen eine weinrote Harrington tauschte, dem Stil wegen, wie er meinte. Dazu Glatze. Er war der tüpische Nazi vom östlichen Lande, einer, wie es zu Beginn der Neunziger tausende gab. Auf seiner Brust hatte er erst einen Union Jack genäht, in dessen Mitte „Oi!“ geschrieben stand, später dann – er merkte wohl, dass das, was er wollte mit Oi! nichts zu tun hatte, dachte aber anfangs, das müsste so, weil die englischen Skins es auch so trugen – tauschte er den Sticker gegen einen auf dem „Deutschland den Deutschen“ zu lesen war. Gestickt in Fraktur. Irgendwann hatte er im Suff einen schweren Unfall, vobei sein Gesicht zerschrottet wurde. Gänzlich. Er hatte überall große Narben und sein rechtes Auge hing drei Zentimeter unter normal, so als würde es da nicht hingehören, als hätte ihm jemand ein Glasauge in die Wange gedrückt. Sein Bein zog er, nachdem er endlich die Krücken weglassen konnte, nach wie ein totes Stück Fleich. Er war für sein Leben lang gezeichnet und spätestens jetzt sah er mordsgefährlich aus. Dieser irre Blick. Später dann erzählte er, er wurde mit einem Baseballschläger verprügelt, von Punks. Das sollte wohl seiner Vita dienen. Viele glaubten ihm. Ich nicht, ich bumste seine kleine Schwester, zumindest dachte er das. Wir haben uns gehasst, er und ich. Ich versuchte, ihm nie alleine über den Weg zu laufen.

Sein bester Freund, oder besser: Kamerad vom selben Schlag war der Ex von der Kleinen und hasste mich dafür, dass ich jetzt mit ihr fummelte. Er hasste mich wie die Pest. Als die Kleine an einem Wochenende nicht da war, kamen ihr Bruder, ihr Ex und diverse Freunde von ihnen zum Jugendclub um mir anständig die Fresse zu polieren. Ich flüchtete durch das Küchenfenster und rannte um mein Leben. Der Mob jagte mich erst über das gerade frisch gepflügte Feld, aus dem noch die Strohstummel des letztes Jahres ragten. Dann trieben sie mich in den neuen Bahnschacht. Sie erwischten mich nicht. Das war mein Kaff, mein großer Spielplatz, meine Westentasche! Niemand konnte mich dort fangen. Schon gar nicht eine Horde Halbaffen, von denen einen Großteil aus dem Nachbarkaff kam.

Ihr Ex lies sich später die Haare wachsen, zog die Stiefel aus, wurde toleranter Hedonist, der in Berliner Klubs Technoplatten drehte. Wir spielten sogar öfter im selben Line Up, soffen zusammen und machten unseren Frieden. Ich sagte ihm, dass mit der Kleinen nie was lief. Sie wollte zwar gerne, aber ich hatte Angst um mein Leben, das ich nicht für einen Fick zu riskieren bereit war. Er lächelte verlegen.

Als ich heute in dem Kaff war, sah ich ihren Bruder. Er stand rauchend vorm Supermarkt. Er sah aus, als wären die letzten 15 Jahre an ihm vorbeigezogen, ohne irgendwas in ihm bewegt zu haben. 9-Loch Walkers, hochgeschraubt, in denen natürlich weiße Schnürsenkel steckten, hochgekrempelte 501er (Domestos ist wohl nicht mehr der Knaller) , Thor Steinar Hoodie und eine weinrote Harrington. Auf seiner Brust ein Sticker: „Nationaler Sozialismus jetzt!“. Gestickt in Fraktur. Hass in seinem kaputten Auge, das Bein zieht er immer noch nach. Ein gebrochener Mann. Er hat mich nicht erkannt – ich ihn schon. Diese Fresse werde ich nie vergessen, seinen Namen auch nicht. Ich hätte gerne gefragt, was die Kleine macht, hab sie ewig nicht gesehen. Ich habe es nicht getan.

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