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Schlagwort: 1980s

Wie aus der Zeit gefallen: Ein TV-HiFi-Fachgeschäft in Oer-Erkenschwick

Gerrit schreibt mir: es gäbe da in Oer-Erkenschwick ein Geschäft, wie viele es von uns so noch von früher kennen dürften. Die Schaufenster-Deko sieht aus, wie Schaufenster-Deko in den 80ern im Westen wohl halt so ausgesehen hat. Und das sieht sie auch heute noch. Irgendwie sehr sympatisch, wie ich finde. Und der Laden läuft aktuell wohl immer noch ganz gut, was ich dann noch viel sympathischer finde. Und wie groß damals TDK-Kassetten waren.

Hier gibt es einen Laden, der seit meiner Kindheit 80% seiner Schaufensterbestückung nicht mehr verändert hat. Vermutlich auch 80% des dort vorrätigen Sortiments. Und der Laden ist jeden Tag geöffnet.

Und falls ihr mal eine Diamantnadel für den 80er Plattenspieler oder eine fundierte Beratung für Baustein-Systeme braucht, meldet Euch.

Würde ich tun.

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Die anderen Bands und der Soundtrack der Wende: Kein Bock auf Ostrock

Umfangreiches und sehr interessantes Special von hr1, das sich nach 30 Jahren des Mauerfalls dem Soundtrack der Wende in der DDR widmet.

Als am 9. November 1989 die Mauer fällt, haben nicht nur schon tausende junge Leute die DDR verlassen. Viele von denen die noch da sind, haben sich schon lange vom Staat und den etablierten Ostrockbands abgewandt. Den Soundtrack ihres Lebens bestimmen seit einiger Zeit junge und unangepasste Bands. Nicht aus London, New York oder der BRD – sondern aus Ostberlin, Leipzig oder Karl-Marx-Stadt. Unter dem Label „die anderen bands“ prägen sie für viele den Soundtrack der Wende.

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Doku: Lugau City Lights – Ein DDR-Dorf schreibt Popgeschichte

Eine sehr schöne Doku über jugendkulturelle Begehrlichkeiten in der DDR und über junge Leute, die es trotz aller staatlichen Widerstände einfach mal gemacht haben, was nicht ganz ungefährlich war.

In Lugau, einem kleinen Dorf im Spreewald, ist es still. Zu still. Der einzige Ort, der etwas Leben verspricht, ist die Kneipe. Kein Wunder also, dass der Ostfrust insbesondere bei der Dorfjugend allgegenwärtig ist. Das Leben von Alexander Kühne und seinen Freunden dümpelt geradezu dahin: Kohlebau, Weißkohlernte. Kurzum: viel Langeweile, wenig Coolness. Bei Bier und Zigaretten beginnen sie herumzuspinnen, malen sich aus, wie es wäre, ein Stück der pulsierenden Metropole nach Hause zu holen. Sie wollen etwas noch nie Dagewesenes schaffen, dem Mikrokosmus der DDR etwas ganz Großes entgegensetzen. Sie träumen groß – Spielen mit dem Gedanken, einen Musikclub zu gründen, in dem sich auch David Bowie wohlgefühlt hätte. Die Volkspolizei wittert eine Revolution, die Nachbarn Ruhestörung. Die Hürden scheinen unüberwindbar – und doch gelingt es. Aus der ehemaligen Dorfgaststätte wird der Jugendclub „Extrem“. Die größte Party ihres Lebens beginnt – mitten im Nirgendwo der DDR. Bis in die 90er zieht der Musikclub in der Provinz rockwütige Partygänger aus Berlin, Cottbus, Dresden und Leipzig an. Bands wie Rammstein, Fettes Brot oder Sandow bringen die Bühne zum Beben. Heute ist die Bühne verwaist, die Punkkonzerte von einst sind nichts weiter als bloße Erinnerung. 2017 reist Kühne zurück an den Ort, an dem er und seine Freunde einst das Unmögliche möglich machten. „Lugau City Lights“ zeigt überschäumende Popkultur, wo sie keiner vermutet – in einem Dorf zwischen Dresden und Berlin – und erzählt die Geschichte von jungen Menschen, die weder aus der DDR flohen noch sie bekämpften, sondern sie einfach ignorierten: mit einer musikalischen Revolution im einem Dorfsaal.

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19. Juli 1988, Ostberlin: Bruce Springsteen – Dancing in the dark (live)

Ich bin noch im Urlaub, weshalb der Laden hier etwas zu veröden scheint. Das ändert sich nächste Woche wieder, aber Internet ist mir gerade ein bisschen egal. Aber es gibt Ausnahmen. Ich lese viel darüber, wo ich gerade bin und guck nebenbei immer so, was mich interessiert, und wofür mir sonst so die Zeit fehlt.

Heute vor 31 Jahren spielte Bruce Springsteen in Ostberlin vor (vermutlich) 160.000 Menschen sein erstes und einziges Konzert in der damaligen DDR. Es dauerte gut vier Stunden. Historiker geben diesem Abend eine Teilverantwortung für den Fall der Mauer, der im Herbst des folgenden Jahres stattfinden sollte.

Hier sein „Dancing in dark“, für das irgendwann eine junge Frau auf die Bühne kam, um mit ihm dazu zu tanzen.


(Direktlink)

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Über den ersten Wholetrain in Deutschland: Der Geltendorfer Zug, 1985

(Foto: Cheech HCC BY 3.0, Loomit, Roscoe, Roy, Zip, Blash und Don M. Zaza am Morgen danach am S-Bahnhof Türkenfeld)

Schöne Story bei einestages, die sich dem ersten Wholetrain in Deutschland widmet, der ganz genau genommen keiner war, eine kleine Sensation ist er bis heute dennoch geblieben: „Wir waren alle Kritzelbrüder“.

München 1985: ein paar Kids haben die Grafitti-Action in New York fasziniert aufgezogen und sind offenbar der Meinung, auch im oberbayerischen Örtchen Geltendorf mal einen Zug unter Farbe bringen zu müssen. Gesagt, getan. Sie treffen sich nachts und bemalen den Geltendorfer Zug fast komplett.

In der Nacht vom 23. auf den 24. März 1985 entstand an einem S-Bahn-Zug auf einem Abstellgleis des Bahnhofs Geltendorf ein window-down end to end. Sieben noch zum Teil minderjährige Jugendliche aus dem Großraum München waren damals an der Erstellung der Graffiti beteiligt.

Sie nannten sich Blash, Cheech H., Cryptic2, Don M. Zaza, Roscoe, Roy und Zip. Für die Nacht holten sie sich Kannen aus dem Baumarkt. „Aus einem Waldstück spähten die Teenager auf das Geltendorfer S-Bahn-Depot, warteten frierend bei zweistelligen Minusgraden – und schlugen zu. Einige Stunden sprühten sie und liefen danach entlang der Gleise zur nächsten S-Bahn-Station in Türkenfeld. Im Zug schliefen sie ein.“

Und da stand er am frühen Morgen, der erste Wholetrain Deutschlands: ein auf ganzer Länge mit Graffitis besprühter Zug der Linie S4. Schriftgemälde und Figuren im Comicstil auf rund 50 Meter Bahnwaggons, bunte Buchstaben, die sich aufbäumten, ein Krokodil und ein Pin-up-Girl. So erreichte die Urban Art erstmals auch die breitere deutsche Öffentlichkeit. Es war längst nicht das erste Graffiti in der Bundesrepublik, bleibt aber bis heute eines der wirkmächtigsten.

Und dann wurde das alles ganz groß.

Und da stand er am frühen Morgen, der erste Wholetrain Deutschlands: ein auf ganzer Länge mit Graffitis besprühter Zug der Linie S4. Schriftgemälde und Figuren im Comicstil auf rund 50 Meter Bahnwaggons, bunte Buchstaben, die sich aufbäumten, ein Krokodil und ein Pin-up-Girl. So erreichte die Urban Art erstmals auch die breitere deutsche Öffentlichkeit. Es war längst nicht das erste Graffiti in der Bundesrepublik, bleibt aber bis heute eines der wirkmächtigsten.

[…]

„Graffiti bedeutet, sich öffentlichen Raum zu nehmen“, sagt Loomit heute mit 50. „Das ist eine Facette, die sich da nicht herausmanövrieren lässt. Dafür muss man sich auch keine Genehmigung einholen.“ Und er fügt lachend hinzu: „Für uns als ältere Menschen, die nicht mehr so schnell weglaufen können, ist das schwieriger. Da holt man sich die Genehmigung.“

Damals Pioniere.


(Direktlink)

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Indie in der DDR 1989

Von weitem und von außen mag Indie in der DDR keine große Rolle gespielt haben. Musik in der DDR verbindet man aus dieser Sicht eher mit realsozialistisch reguliertem Ostrock, Schlager und sonstig beliebigen Gedudel, das mitunter nur schwer zu ertragen ist.

Spätestens aber, wenn man das großartige Buch „Bye bye, Lübben City“ gelesen hat, weiß man, dass es auch in der DDR eine durchaus lebendige Indie-Szene gab, die nicht selten abenteuerliche Ausmaße annahm, aber das nur am Rande.

Im NDR‐Nachtclub gab es neulich eine wirklich hörenswerte Sendung über Indie in der DDR im Jahr 1989. Lutz Schramm, der damals bei DT64 die Sendung „Parocktikum“ moderierte erinnert sich an das im Osten aufregende Musikjahr und hat Aufnahmen dieser Zeit dabei. Hier zu hören in der NDR-Mediathek.

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West-Berlin 1989: ein erster Farbfilm aus dem Westen von einem Jungen aus dem Osten

Marc ist einer meiner ganz wenigen „Facebookfreunde“, die ich tatsächlich nur von Facebook kenne. Länger schon. Er ist in Ostberlin aufgewachsen und wir sind uns politisch, wenn auch nicht immer, irgendwie nah. Ich mag das, was er auf FB macht.

Heute hat er dort ein Album veröffentlicht, dass seinen ersten Farbfilm zeigt, den er als Jugendlicher aus dem Osten nach dem Fall der Mauer in West-Berlin belichtet hat. Es war, so erinnert er sich, nicht sein erster Besuch im Westen, aber wohl sein zweiter nach dem Fall der Mauer. An dem ersten Wochenende danach.

Die dabei entstandene Fotos sind vielleicht keine Kunstwerke, aber sie strotzen vor Authentizität. Sie zeigen die damals von wohl vielen so empfundene große Faszination im Neuen. Im vielleicht Kleinen. Ehrlich, echt, ohne Filter. Und ich finde, dass im Internet viel mehr Platz für Inhalte wie diese sein sollte. Weil genau diese das Netz noch immer faszinierend machen. Tag für Tag.

Marc kam auf die Fotos, nachdem er darum gebeten wurde, morgen darüber zu sprechen, wie es für Jugendliche im Osten war, als die Mauer fiel. Er war zu der Zeit 16 Jahre jung. Daraufhin grub er sich durch seine alten Fotos – und das ist sein erster Farbfilm, der damals dabei entstanden ist, als er als Jugendlicher Ostler in West-Berlin unterwegs war. Ein sehr schönes auch weil sehr persönliches Zeitdokument.

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