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Schlagwort: Memories

Mann klingelt bei Pfandannahme und löst Feuerwehreinsatz aus

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(Foto: CC BY-SA 2.0, Sludge G)

Damals gab es neben unserer Kaufhalle einen Anbau, der nur dafür genutzt wurde, um Pfandflaschen anzunehmen, zu sortieren und auszuzahlen. Dafür gab es extra zwei Kassiererinnen, die sich einzig darum kümmerten. Ich erinnere mich gerne daran zu zurück, wenn ich vor einem dieser voll bescheuerten Pfandautomaten stehe, die ständig an sich selber verrecken, sich verschlucken, verstopfen und kontinuierlich eigentlich nur eines richtig gut können: nicht funktionieren nämlich. Dann ruft man irgendeine Fachkraft aus dem Supermarkt, die noch genervter von diesen Scheißautomaten ist als man selbst. Klar, die wurde heute ja auch schon 1376 mal zu dem Ding gerufen und tritt im extremsten Fall einfach nur dagegen. Das darf man selber ja nicht.

Ich will die gute, alte Pfandannahme zurück. Mit den netten Kassiererinnen, die man nicht erst herbeiklingeln muss, weil die nur zu zweit den ganzen Laden schmeißen müssen, den Holzkisten voll leerer Saftflaschen und dem Geruch, den offene Malzbierflaschen verströmen. Da passiert dann auch so was nicht mehr. Vielleicht sollten wir alle immer auf die falschen Knöpfe drücken.

Ein älterer Herr wollte bereits vergangenen Freitag in einer Filiale eines Lebensmittel-Discounters in Sprockhövel seine Pfandflaschen abgeben. Nach Angaben der Polizei fragte er deswegen die Kassiererin, da er sich nicht auskannte. Diese wies ihm den Weg in die hinteren Verkaufsräume. Hier gebe es eine Tür, daneben sei ein „Knopf“ angebracht, erklärte die Mitarbeiterin. Diesen müsse er nur drücken, dann komme jemand und nehme die leeren Flaschen an. Einige Minuten später ertönte der Feueralarm und die Feuerwehr kam.

[…]

Der Mann erzählte den Polizeibeamten, dass er sich schon gewundert habe, erst eine Scheibe einschlagen zu müssen, um Pfand abgeben zu können.

(via reddit)

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Under Pressure

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(Sybmolfoto unter CC von Mueritz)

Es war unser letzter gemeinsamer Sommer. Wir hatten alle gerade die 10te Klasse hinter uns, nach den Ferien würde jeder seine ganz eigenen alltäglichen Wege gehen. Die Zeugnisse waren bei fast allen mäßig bis dürftig – für fast alle reichte es da nur für eine Ausbildung auf dem Bau. Aber immer noch besser als nichts und immerhin nicht zum Straßenbau. Das gemeinsame nachmittägliche Rumhängen auf dem Schulhof mit den billigen 0,33er Schultheiß Blasen würde wegfallen und überhaupt würde nach diesem Sommer alles ganz anders werden.

Es war heiß. Viel zu heiß, um fünf, sechs Tage in Zelten an einem kleinen See in Teltow-Fläming zu verbringen. Wir taten es trotzdem. Natürlich. Wir soffen Bacardi mit pisswarmer River-Cola, rauchten mehr als unsere noch jungen und dennoch schon schwarzen Lungen vertragen konnten, spielten Karten und nachts angelten wir. Allerdings eher nur so alibimäßig – man konnte ja nicht nur Saufen, was wir natürlich trotzdem taten. Wenn der Bacardi alle und der schon geschnittene Käse am Tage in der Sonne mal wieder zu einem Klumpen verschmolzen war, liefen wir morgens vier Kilometer, um in dem kleinen Tante Emma Laden im nächsten Kaff Nachschub zu holen. Bacardi. Der Käse war dann nicht mehr wichtig.

Wir hatten einen riesigen Ghettoblaster dabei, den wir – ganz Ostler – „Doppelkassettenrekorder“ nannten. Und mindestens 34,7 Kilo Batterien für das Ding. Tagsüber hassten uns alle badenden Familien dafür, aber wir waren jung und das war unser letzter gemeinsamer Sommer. Die konnten uns also alle mal. Und das ordentlich. Mittelfinger hoch. Nachts waren wir immer allein und ballerten drei Platten über den dann ganz ruhig vor uns liegenden See. Erasures „Chorus“, 2 Live Crews‘ „Banned in the USA“ und „Hot Space“ von Queen. Die eigentlich nur wegen einem Lied, „Under Pressure“. Ein paar Jahre vorher hatte Vanilla Ice dieses eine Sample davon benutzt, dafür liebten ihn alle. Wir aber wussten, wo das im Original herkam und hassten alle, die davon keine Ahnung hatten. Am Ende lief dann meistens nur dieses Lied, „Under Pressure“.

Es lief morgens beim ersten Bacardi-Cola, mittags, wenn der See langsam aber stetig von den Familien umlagert wurde, abends als mein Bruder dieses Mädchen mitbrachte, das mich besuchen wollte. Es lief, als wir beiden im Zelt dann so taten, als würden wir viel mehr machen als uns nur zu unterhalten, was dafür sorgte, dass wir danach für alle „zusammen“ waren. Tatsächlich sollte es noch gut ein halbes Jahr dauern, bis wir das auch so sahen. Wir sehen das bis heute so. Und wenn wir dann nachts in den benebelten Schlaf der trunkenen Jugend fielen, lief „Under Pressure“ natürlich auch. So lange, bis die Batterien mal wieder den Geist aufgaben. Am Ende hatten wir ein Tape, dass wir damals – ganz Ostler – „Kassette“ nannten, auf dem nur dieses eine Lied war.

Es war unser letzter gemeinsamer Sommer. Und auch wenn keiner sich in diesem Bewusstsein von seinen Eltern dort hinfahren lies, wussten wir es irgendwie still und heimlich alle, als uns die Eltern nach diesen Tagen wieder abholten. Es blieb dabei. Nach diesem Sommer gingen wir alle irgendwelchen Ausbildungen auf allen möglichen Baustellen Berlins nach und verloren uns aus den Augen. Manche für immer.

Und jetzt sitze ich hier in der Küche, backe einen Mohn-Kirsch-Käse-Marzipan-Kuchen, während das Mädchen, das mich damals besuchte und mit dem ich im Zelt so tat, als ob, an der Nähmaschine Hoodies für unsere Kinder näht. Dann höre ich wie aus dem Nichts „Under Pressure“ und muss an damals denken. Und an den Sommer, der mir wie jedes Jahr so fehlt. Vielleicht fahren wir im nächsten einfach mal für eine Nacht an diesen See, trinken Barcardi-Cola und hören dort die ganze Nacht „Under Pressure“. Der alten Zeiten wegen und weil dieser eine Sommer für uns gar nicht der letzte gemeinsame, sondern erst der erste war.


(Direktlink)

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Gastbeitrag von Ursula Demitter: Ein Leben in der DDR – Kindheit, Teil 3

Ursula Demitter aus Potsdam ist 67 Jahre alt, lebte und arbeitete in der DDR. Unter anderem bei der DEFA. Heute gibt sie Nachhilfeunterricht und schreibt hin und wieder ihre Erinnerungen von damals in Textdokumente. Da ich ohnehin ein großes Interesse an DDR-Biografien des Alltags habe und möchte, dass derartige Erinnerungen nicht auf irgendwelchen Festplatten verschimmeln und irgendwann einfach den Tod einer Festplatte sterben, packe ich die Texte von Ursula ab jetzt hier in unregelmäßigen Abständen rein. Hier finden sich alle ihrer Texte.

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(Foto: Richard Peter, unter CC von Deutsche Fotothek‎)

Anfang der Fünfziger Jahre wurde in unserer Familie beschlossen, umzuziehen.
Der Umzug hatte seine Gründe. Das Holländerviertel war damals keine besondere Adresse. Da wohnten einfache Leute in alten Häusern mit sehr einfachen Wohnungen. Meine Mutter hat später behauptet, sie hätte es vermieden, ihre Adresse zu nennen.

Mit den Jahrzehnten waren die Höfe, einst große Gärten, durch Schuppen, Ställe und kleine Handwerksbetriebe zugebaut. Ebenso die Brandgassen, die in ihrer alten Funktion nicht mehr notwendig schienen. Dem Viertel fehlte Luft und Licht. Die Keller waren feucht, da hier auf Sumpf gebaut worden war.

Nachts hörte man zwischen den Geschossen die Ratten unter den Dielen rennen. Es polterte richtig laut und jagte uns Kindern Angst ein. Auch im Keller gab es Ratten. Trotzdem fanden meine Eltern es völlig normal, eins von den Kindern in den Keller zu schicken, um etwas herauf zu holen. Meistens waren es selbstgemachte saure Gurken, die dort in einem Steintopf lagen. Da es im Keller kein Licht gab, bekam man eine Dynamo-Taschenlampe in die Hand gedrückt, die man ständig drücken musste. Vom Hof aus musste die Kellerabdeckung, die mit Gewichten über Rollen lief, angehoben werden. Der Keller stand fast immer ein wenig unter Wasser. Deshalb hatten die Mieter Bretter ausgelegt, die auf Mauersteinen lagen. Darauf balancierte man bis zum Gurkentopf. Dann wurde der Deckel abgenommen. Auf den Gurken lag zur Beschwerung ein Teller, auf dem Teller ein Stein. Beides musste raus. Dann griff man voller Überwindung durch die Kahmschicht und holte mit der Hand die geforderte Anzahl Gurken heraus. Nur schnell, so schnell wie möglich wieder raus. Ab und zu passierte es, das eine Ratte durch den Keller lief. Ich glaube, ich war nur einmal allein im Keller, dann verlangte ich Begleitung.

Eine noch größere Plage für die Bewohner des Viertels waren die Wanzen. Auf mich, ein sehr hellhäutiges blondes Kind, hatten sie es besonders abgesehen. Zweimal im Jahr, so etwa zu Pfingsten und Ende August wurden die Wanzen extrem aktiv. Dann sah ich immer sehr zerbissen aus und kratzte ständig an mir herum. Meine Mutter schämte sich dessen und hatte jahrelang geglaubt, mit äußerster Sauberkeit und regelmäßigem Großreinemachen, könnte sie den Wanzen beikommen. Sie nahm beim Putzen sogar die Betten auseinander und die Bilder von der Wand. In jede Öffnung sprühten wir das damals übliche Insektengift „Mux“ hinein. Wenn ich es recht erinnere, hat sie es sogar mit DDT versucht. Im nachhinein denke ich, es hat uns Kindern mehr geschadet, als den Wanzen.

Durch den Umzug waren von einem Tag auf den anderen, die abenteuerlichen Zeiten mit meiner Straßengang vorbei. Wir waren etwa zehn Kinder verschiedenen Alters. Ich war die Jüngste. Unsere Anführerrinnen waren zwei „große“ Mädchen. Kriemhild hatte brandrote dicke Zöpfe und viele Sommersprossen und war ein Umsiedlerkind. Wir nannten sie „Krimmi“ und nie habe ich gehört, dass sie wegen ihrer roten Haare geärgert wurde. Sie verstand es, sich zu wehren. Die zweite Anführerin, die eigentliche Eleonore hieß, nannten wir „Lori“. Sie gehörte zu einer Familie, die gegenüber der Hausnummer 18 im Hof eine Firma betrieben hatte. Noch lange Jahre konnte man die Firmenaufschrift über dem Torbogen lesen: „Stahlmatratzenfabrik Guderle.“

Wenn es dämmerte fanden wir uns zusammen. Zuerst spielten wir ein bisschen lustlos „Meister, Meister gib uns Arbeit“ oder „Herr Fischer, Herr Fischer, wie tief ist das Wasser“. Dann wurden wir aufgeteilt in Räuber und Polizisten. Das Spiel bei dem wir bis über den Bassinplatz ausschwärmten und uns gegenseitig zu überwältigen versuchten, nannten wir „Räuber und Pulle“.

Am liebsten machten wir „Klingelzug“ oder legten auf den Wegen des Bassinplatzes ein altes Portemonnaie an einem Zwirnsfaden aus. Auf den Faden wurde Sand gestreut und sobald sich ein Erwachsener nach der Börse bückte, zogen wir sie blitzschnell hinter die Hecke, wo wir versteckt lagen. Dann folgte lautes Geschimpfe auf die verflixten Straßengören und wir rannten davon, als hätten wir das Schlimmste zu befürchten.

Lange Jahre gab es um den Bassinplatz und in der heutigen Friedrich-Ebert-Straße noch zerstörte Häuser, eben Kriegsruinen. Es war uns strengstens verboten, diese Grundstücke zu betreten. Trotzdem sind wir bäuchlings in halb verschütteten Kellerfenster gerutscht und haben uns gegenseitig eingeredet, dort noch Schätze zu finden. Ein Wunder, dass alles gut gegangen ist.

Ich war gerade in die zweite Klasse gekommen, als unsere Familie aus dem Holländerviertel zum Jagdschloss Stern zog. Die Siedlung hieß Kolonie Drewitz und gehörte zum Dorf Drewitz, das damals noch kein Teil von Potsdam war. Später wurde das geändert, da waren wir Babelsberger.

Im Juni 1952 wurde es merkwürdig aufgeregt in unserer Familie. Meine Eltern hingen am Radio und machten ernste Gesichter. Mit uns Kindern sprachen sie nicht über ihre Sorgen. Das war immer so, wenn es politisch wurde. Sie hatten Bedenken, dass wir in der Schule etwas ausplaudern könnten, womöglich was Falsches sagten.

Meine Mutter erlaubte mir nicht, zu meiner Freundin zu gehen, was ich überhaupt nicht verstand. Am Nachmittag hörte ich ein lautes Brummen, das die Luft mit Schwingungen erfüllte. Ich lief durch den Vorgarten auf die Straße und sah in etwa hundert Meter Entfernung auf der Bahnhofstraße, die unsere Straße querte, eine Kolonne Sowjetpanzer. Sie kamen vom Güterfelder Truppenübungsplatz und fuhren stadteinwärts. Gemächlich bewegten sie sich vorwärts und wirbelten auf der unbefestigten Straße eine riesige Staubwolke auf.

Über die parallel verlaufende asphaltierte Jagdhausstraße konnten sie nicht fahren.
Die Russen hatten sich gleich 1945 einen Zaun um ihr Planquadrat gebaut und die Straße zur Sackgasse gemacht, weil sie links und rechts der Straße größere Villen besetzt hatten. Vor dem Krieg befand sich dort ein Sanatorium. Wir Anwohner mussten einen beträchtlichen Umweg über die Kohlhasenbrücker Straße machen, um zur Bushaltestelle in der Steinstraße zu gelangen.

Während ich gebannt auf die Panzer starrte, kam meine Mutter aus dem Haus gestürzt, schrie völlig hysterisch irgendwas von „verboten raus zugehen…“ zerrte mich wortlos auf unser Grundstück und verabreichte mir links und rechts eine kräftige Ohrfeige. Danach schloss sie sorgfältig das Gartentor ab, steckte den Schlüssel in die Schürzentasche und ging wortlos ins Haus. Normalerweise wurden wir Kinder nicht verhauen. Ich war acht Jahre alt und verstand die Welt nicht mehr.

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