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20 Jahre Fanprojekt Babelsberg

Ich konnte mit Fußball eigentlich nie sonderlich viel anfangen. Ende der 1980er Jahre nahm mein Vater mich mit zu einem Schlagerspiel der DDR-Oberliga: Hansa Rostock gegen BFC Dynamo. Er kam ursprünglich von der Küste, wir waren in der Nähe bei seiner Mama und gingen halt damals bei Rostock im Block zu diesem Spiel. Vom Spiel selber weiß ich nicht mehr viel, bis darauf, dass Rostock gewonnen hatte. Während des Spiels kam es um uns herum zu Schlägereien zwischen Rostockern und BFClern, eine lange und gründlichst gepflegte Feindschaft. Ich erinnere mich daran, dass mein Vater sich vor mir groß machte und sich gegen Berliner verteidigen musste, die ihm auf die Fresse hauen wollten, wobei er eigentlich nur versuchte, mich, damals keine 12 Jahre alt, irgendwie zu schützen. Er teilte gut aus, was mir nicht wenig imponierte. So kannte ich ihn nicht. Ich fühlte mich gut dabei, ihn in so einer Situation an meiner Seite zu wissen. Ich sah ihn danach nur noch ein einziges Mal austeilen.

Ein Wessi zog Anfang der 90er unter uns ein und prollte ständig mit seinen neuen Autos und Motorrädern, was schon nervig genug war. Dann aber begann er damit, grundsätzlich den Parkplatz meines Alten zu blockieren, der halt einfach nun mal auch eine Vorzeigekartoffel war und deshalb bei seinem Parkplatz absolut keinen Spaß verstand. Es kam dann irgendwann vom Fenster aus, an dem mein Alter gerade in den Nachmittag guckte, zu einem Wortgefecht mit jenem Wessi, der seine Karre mal wieder auf dem Parkplatz meines alten Herren abstellte. Es wurde so sehr laut und noch lauter. So, dass das halbe Viertel wissen musste, wer sich da mit wem stritt. Irgendwann machte der Wessi von unten aus dann etwas unglaublich Dummes, was im Osten zu der Zeit wirklich nicht sonderlich gut ankam, und nannte meinen Alten „StaSi-Schwein“, woraufhin der seine Jacke überzog und seine Latschen gegen Schuhe tauschte, drei Etagen nach unten lief und dem Tüpen eine Bombe verpasste, dass der einfach nur umfiel und liegenblieb. Auch das imponierte mir nicht wenig. Mein Vater war absolut kein gewalttätiger Mensch – im Gegenteil, eigentlich war er immer die Ruhe selbst, aber ich wusste schon nach dem Stadionbesuch in Rostock damals, dass er auch austeilen könnte, wenn es denn sein müsste.

In den 90ern habe ich dann später in einer Dorfdisko gearbeitet, Gläser eingesammelt, Parkplätze zugewiesen, Garderobe gemacht, diesdas. Irgendwann wurden dort Hools des BFC zu Stammgästen und die waren nicht nur maximal unangenehm sondern auch gewaltbereit und Schutzgeld fordernd. Ich musste da öfter mal die Beine in die Hand nehmen und um meine Gesundheit rennen, was sich damals anfühlte, als würde ich um mein Leben rennen. Nicht erst seitdem finde ich BFC Dynamo maximal scheiße, aber das nur am Rande.

Vor 2-3 Jahren fing ich dann damit an, zu unserem Kiezverein in Babelsberg zu gehen und musste feststellen, dass es mich unheimlich entspannt, zu einem Fußballspiel zu gehen und dabei zusehen, wie 20 Erwachsene 90 Minuten lang versuchen, einen Ball in einen Kasten zu bekommen, was wiederum von zwei Erwachsenen verhindert werden will. Klingt schön blöd, ist aber so. Ich habe da echte Auszeiten, mache mein Telefon aus und gucke da einfach nur zu. Das ist für mich irgendwie meditativ – bis auf die 600 Expertenmeinungen um mich herum, die mir nach wie vor derbe auf den Saque gehen.

Mittlerweile bin ich mindestens bei jedem Heimspiel des SV Babelsberg 03. Egal ob Pokal, Regionalliga oder irgendwelche völlig irrelevanten Testspiele. Es entspannt mich einfach und das Karli fühlt sich mittlerweile wie ein Heimathafen an, den ich regelmäßig gerne ansteuern mag.

Menschen, die mich schon länger kennen, finden das komisch. „Ronny und Fußball – fand der immer scheiße.“ Stimmt. Fand ich. Heute eben nicht mehr. Finde ich auch komisch.

Und wenn ich ins Stadion gehe, bin ich dort strickt privat und nie als Sozialarbeiter, was ja mein eigentlicher Job ist. Den machen dort dann andere – und darauf wollte ich eigentlich gerade hinaus, bevor ich hier die 650 Wörter tippelte. Das Fanprojekt Babelsberg feiert sein 20. Jubiläum und die machen verdammt gute Arbeit im Kontext Jugendsozialarbeit und Fußball. Natürlich sind das gute Leute und die haben jetzt ein Video mit gutem Soundtrack. Auf mehr wollte ich hiermit auch gar nicht hinweißen.


(Direktlink)

Und ihr könnt nicht wissen, wie es sich hier gerade anfühlt, am Dienstag in der zweiten Runde des DFB-Pokals RB Leipzig im KarLi zu haben. Das wird magisch. Egal, ob wir gewinnen oder verlieren. Magisch.

2 Kommentare

  1. Harry25. Oktober 2021 at 15:29

    Als Paulianer kann ich nur immer wieder meinen Hut ziehen! Ganz großes Kino das Fanprojekt. Bei uns gibt es ja auch einiges an sozial wertvollen Projekten im Fahrwasser des Magic FC, die großartige Arbeit leisten.
    Leider wird sowas von der Welt außerhalb des Fußballs gerne übersehen.

  2. sld25. Oktober 2021 at 19:54

    „Den machen dort dann andere – und darauf wollte ich eigentlich gerade hinaus, bevor ich hier die 650 Wörter tippelte.“

    Vielleicht isses aber auch einfach nur, weil du als Junge mit deinem Alten zum Fussi warst. Und heute erinnerts dich unbewusst dran. Son Vater-Sohn Dings :)
    Ich hatte sowas nich, mit meinem alten.

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