Zum Inhalt springen

Als Kinder hatten wir Klappräder, auf die wir uns Hochlenker montierten um auszusehen, als würden wir Shopper fahren. Wir knüpperten uns Pfeifenreiniger um die Radnaben um den Glanz des Chroms nicht zu verlieren. Außerdem steckten wir an die Gabel immer den Deckel einer Butterdose mit einer Klammer fest, damit es auch das Geräusch eines Motors gab, wenn auch nur ein bescheidenes, aber wir waren ja auch die Simson gewöhnt und keine Harley. Mit den Rädern fuhren wir durch die Sandberge, weil man da auch schonmal mit dem Rad durch die Luft springen konnte. Hinten am Musikerviertel war ein kleiner Teich, den wir im Sommer jeden Tag ansteuerten um in Ruhe darauf zu hoffen, dass irgend ein Fisch mal anbeissen würde. Wir schliefen da auch manchmal um Nachts zu angeln. Eigentlich wusste jeder, dass in diesem Tümpel kein Fisch leben konnte, aber das war uns egal. Wir angelten trotzdem und fingen nebenbei Frösche und sowas. Der Bahndamm war auch ein netter Anlaufpunkt. Die Russen verschifften vom Bahnhof all das, was im Osten nicht mehr gebraucht wurde. Die jungen Männer taten mir immer ein bisschen leid. Die waren waren vielleicht 17-18 Jahre und knüppelten wie die Berserker und betäubten sich dabei immer vollends mit selbstgebranntem Wodka.

Auch redeten sie immer mit uns, obwohl wir kein Wort verstanden. Wir saßen abends bei denen am Feuer, dass sie immer direkt neben dem Bahnhof machten und fühlten uns dabei wie Abenteurer aus den Western-Filmen, die wir eigentlich nicht sehen durften, es aber dennoch taten. Gute Spielplätze waren auch der neue und der alte Bahnschacht. Beide hatte Adolf damals ausheben lassen um eine Bahnstrecke nach Stahnsdorf bauen zu können, von da war es auch nicht weit in die Zoo-Handlung am Ruhlsdorfer Platz, die ich mindestens einmal die Woche besuchte. Sie war geteilt in 2 Räume. In einem gab es Futter, Hamster, Vögel und sowas und in dem anderen Raum, gab es hunderte verschieden Arten von bunten Fischen, die mich damals faszinierten. Ich ging da immer hin, um diese zu beobachten. Der Ladeninhaber, war ein netter alter Kerl, der an seiner Rechten nur noch drei Finger hatte, da er die anderen im Krieg verloren hatte, wie er sagte. Manchmal wurde er von seiner Frau vertreten, die aber auch immer äusserst freundlich war und manchmal Bonbons für uns übrig hatte. Sie erzählte viel von den Vögeln, die sie offenbar faszinierten, weil sie fliegen konnten. Überall dahin, wo hin sie wollten. Das diese Viecher hier in ihrem Laden allerdings in Käfigen darauf warteten, von irgendwem gekauft zu werden, lies sie dabei aussen vor. Ich glaube sie war ein wenig verliebt in den Gedanken selber fliegen zu können. Irgendwann bin ich dann nicht mehr dahin. Man wurde ja auch älter und hatte andere Dinge im Kopf. Als dann irgendwann Mitte der Achtziger der Film „Die BMX-Bande“ in die Kinos kam, fanden wir Chopper fahren langweilig, liessen uns von den Papis Stangen in die Klappräder reinschweissen, schmissen die Hochlenker weg, namen uns Standartlenker, verbreiterten die an den Seiten mit je 10-15 cm Besenstielen, bauten uns in die 20ger Räder 28ger Gablen ein um auch eine Enduro-Optik zu erreichen, polsterten uns die Stange und den Lenker mit Stoff und Watte und machten unsere eigene BMX-Bande auf, um nur noch in den Sandbergen aubzuhängen und so zu tun, als wäre das ganz großer Sport. Ich glaube, ich war ein wenig verliebt in Nicole Kidman, aber das nur am Rande.

Heute ist es so, dass es den Tümpel hinten am Musikerviertel nicht mehr gibt. Da stehen massig Einfamilienhäuser. Am Bahndamm gibt es keine Russen mehr, es gibt nichtmal mehr den Bahndamm. Dort wurde gebaut. Die beiden Bahnschächte wurden ganz in der Idee von Adolf nun wirklich zu einem Bahnhof gemacht und dort ist „der Zutritt strengstens untersagt“. Die Zoohandlung hat sich mit der Auflösung der DDR in eine abrissreife Ruine verwandelt, die aber immer noch steht. Vielleicht hat die nette Dame es von damals ja geschafft, das mit ihrem Traum vom fliegen wahr zu machen. Vielleicht auch nur nach Spanien, oder so. Sie hätte es verdient. Nicole Kidman ist Geschichte und die Sandberge sind auch auf ein Minimum dessen, geschrumpft, was sie an Fläche mal waren. Es wurde gebaut. Überall. Es ist irgendwie nichts mehr davon übrig, was ich bis vor ein paar jahren mal an Heimat definiert hätte.

Ich frage mich nur immer, wenn ich an den alten Spielstellen meiner Kindheit bin wo, zum Teufel, die Kids heute BMX-Bande spielen.

Ein Kommentar

  1. Melanie7. März 2007 at 00:00

    tja, daß leben dreht sich und dreht sich und dreht sich. wem dabei schwindelig wird, hat als kind nicht lange genug geübt beim sich drehen. ich offenbar auch nicht, denn auch mir wird immer wieder schwindelig, wenn ich sehe, was aus meiner kindheit geworden ist.

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert