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Kategorie: Täglicher Sinnwahn

Bernd, Beruf Parkplatzwächter auf Usedom, arbeitet von 06.00-22.00 Uhr, fünf Mal die Woche, dann hat er zwei Tage frei. Die „genießt“ er „sehr“, wie er sagt. Was er verdient, sagt er nicht, aber der Motorroller, den es beim Discounter für 895,00 € gibt, und der ihn täglich auf die Arbeit bringt, verrät, das es für mehr nicht reicht. „Zum Leben zu wenig, zum Sterben zuviel“ sagt er. Eine kleine, deutsche Anekdote.

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Schmeißt doch einfach alle raus, macht den Laden dicht und fangt noch mal von vorne an. Man könnte ja dann, wie damals in der Schule, so in Tip-Top-Schritten sehen, wer die erste Wahl hat, und dann immer immer abwechselnd. Die, die keiner mag, stehen dann zum Schluss immer noch ohne Mannschaft da und gucken beschähmt auf den Boden.

Oder aber Ihr lasst es einfach ganz bleiben.

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Potsdam blutet aus

Wer mal in dieser schönen Stadt hier versucht hatte, eine oder mehrere Veranstaltungen aus dem Boden zu stampfen, wird wissen, dass es schon beim Suchen nach einer geeigneten Location zu Problemen kommen kann. Wir vom Werk und unserer engerer Freundeskreis hat lange immer und immer wieder versucht, dennoch daran fest zu halten, regelmäßig irgendwie und irgendwas, was unserer Auffassung von Party gerecht wird, auf die Beine zu stellen. Bis zu jenem Tag, als das Waschhaus saniert wurde und wir endgültig keine Lust mehr hatten. Aber das nur vorneweg und am Rande.

Es gibt in Potsdam genau drei(!) Locations, die die Möglichkeiten bieten, auch auf unkommerzielle, kreative und alternative Art und Weise Veranstaltungen zu organisieren die mehr als 200 Gäste zu lassen. Zum einen ist es das Archiv, ein abgehalfterter Punkerladen, der in den Neunzigern durch Techno groß wurde und sich mittlerweile daran versucht, dem Spießertum mit Hilfe von Punkern den Rang abzulaufen. Das gelingt ihnen ganz hervorragend. Furchtbare Vorrausetzungen um etwas in die Nacht zu bringen, was der Definition von „Punk“ diesen Pfeifen nicht gerecht wird. Die „Kultur“ beschränkt sich dort auf das, was jene Leute für Punk halten, die dort ein,-und auskehren bzw. dort wohnen.

Zum zweiten gibt es dort den Lindenpark, der in den letzten Jahren offensichtlich versucht hatte, den Preis für das uninteressanteste Angebot ever einzufahren, was ihm auch gelungen sein dürfte. Das konnte weder Panteon Roccoco noch das jährliche Ska-Festival rausreißen. Ich habe nie verstanden, wie man dermassen unattraktive Konzerte/Veranstaltungen so superduper ankündigen zu versucht war. Es war nur eine Frage der Zeit, bis die Fördermittel für diesen Verein eingestellt werden mussten, zumal es bezüglich dieser immer wieder Unstimmigkeiten mit der Stadt gab. Mitarbeiter konnten nicht selten nicht bezahlt werden und irgendwei hat das auch mit den Abrechnungen nicht so wirklich hingehauen, wie man so sagt. Schade drum, aber selber verbockt, was die Betroffenen natürlich und ganz sicher anders sehen mögen. Die Konsequenz dessen ist das kürzlich eingeleitete Insolvenzverfahrens gegen den Lindenpark e.V., was auf kurz oder lang das Ende dieses Ladens sein dürfte. Auch wenn es keiner hören möchte: Die Probleme waren hausgemacht und offensichtlich.

Und dann gab es immer noch den Fels in der Brandung, der immer ein offenes Ohr für neue Ideen und ungewöhnliche Konzepte hatte, auch wenn die immer ein wirtschaftliches Risiko sein mochten: Das Waschhaus. Die Mutter aller Locations in Potsdam, die alles andere war als eine Großraumdisko, die den jetzt bekackten „Kulturstandort Schiffbauergasse“ erst möglich gemacht hat, weil sie die Kultur nach Potsdam brachten, als sie den Laden anfang der Neunziger besetzten und die Wochenenden mit Techno durchballerten. Nun stehen sie neben dem neuen und repräsentativen Hans Otto Theater, einem VW-Design Center und dem Softwareriesen Oracle. Es war eigentlich nur eine Frage der Zeit bis die Stadt feststellen musste, dass das leicht abgeranzte Waschhaus genau dort nicht mehr rein passen würde. Schlieblich hatte man auch den Fabrikgarten schon so mir nichts dir nichts wegsaniert. Jetzt also, wo Unsummen in die Sanierung des Hauses gesteckt worden sind, stellt die Stadt fest, das die Fördermittel nicht in dem Rahmen ein,-bzw umgesetzt worden sind, wie vereinbart, wenn ich das richtig verstehe. Deshalb wurden nun zum 01.08.2008 jegliche Zahlung von Fördermitteln an den Verein eingestellt. So wie es jetzt erstmal aussieht endgültig. Das könnte bedeuten, dass das Waschhaus sich in Zukunft weder selber tragen noch weiter halten kann. Ein Insolvenzverfahren wird eingeleitet, die Schuldenlast ist einfach zu groß. Ein Ende wäre wahrscheinlich.

Vor Jahren mal meinte ein Freund von mir, der zeitweise im Waschhaus gearbeitet hatte: „Sobald die Stadt auch nur die kleinste Chance bekommen würde, den Laden dicht zu machen, würden sie das tun. Sie würden versuchen, das Geld, zuletzt immerhin jährlich 300000 Euro jährlich aus Land und Bundesmitteln, einzusparen und einen wirtschaftlich arbeitenden Diskothekenbetreiber rein zu setzen.“ Ich habe ihm nicht glauben wollen, obwohl ich wusste, dass Länderfinanzierung nicht nach kulturellen Aspekten funktioniert, sondern dann doch lieber nach finanziellen. Klar. Doch: er hat offenbar recht behalten. Die Stadt will das Waschhaus nicht mehr, obwohl natürlich nicht abzustreiten ist, dass es dort zu Unregelmäßigkeiten bei der Abrechnungen der Fördermittel gekommen sein muss. Ein gefundenes Fressen quasi für die Stadtväter, wie sie sich hier gerne nennen lassen. Es passt auch nur zu gut ins Bild der Neuen Berliner Vorstadt, in der sich ein Herr Jauch, ein Herr Joop , ein Mathias Döpfner eingenistet haben und eben auch viele andere, die die eigentlichen Bewohner, dieses Viertels, dieser Stadt an den Rand drängen, weil kein Mensch mehr die Kosten dort zu wohnen tragen kann. Alles ist neu saniert, alles ist teuer, alles ist schön und alles hat bitte gesittet und für die Stadt kostenfrei zu funktionieren. Im Idealfall möchte die Stadt auch noch ein wenig Geld an den dort Ansässigen verdienen. In diesem Blickwinkel wäre ein wirtschaftlich geführtes Unternehmen natürlich lieber gesehen als ein e.V. der nicht nur ein Programm macht, dass die Stadtväter nicht nachvollziehen können, sondern denen dann auch noch Geld kostet. Das passt nun nicht mehr ins Bild des „Kulturstandortes“. Verstehe ich, aber es kotzt mich gerade trotzdem extrem an.

Macht das Waschhaus mit aktueller Konzeption nicht mehr weiter, dann war es das mit der freien Kultur in Potsdam. Soviel ist mal klar. Ich bin der Letzte, der so einem Shice wie Unetrschriftenaktionen Glauben schenken mag und denke dennoch, dass das die erste Form der Äußerung des Unmutes sein kann. Deshalb geht hier rüber und hackt euren Namen dort rein. Das auch meine Töchter noch so feiern können, wie ich es einst lieben lernte in den Neunzigern, auch wenn das mit dem Heute kaum noch was zu tun hat. Vielleicht auch raffen wir uns ja auch nochmal auf und machen eine Brainbox, die einzigartig war für Potsdam. Weil wir sie dort machen konnten. Und nur dort.

Unterschriften und mehr Infos: http://das-ist-unser-haus.de/
Website: Waschhaus

In der Stadt brodelt das Thema schon seit ein paar Wochen und ist immer wieder Gesprächsthema, wenn aber die Berliner schon was darüber bringen, wird es allerhöchste Zeit selber was zu machen.

Rettet das Waschhaus – ansonsten kann ich auch endgültig der wieder Preußischen Hauptstadt den Rücken kehren und aufs Land ziehen. Und das meine ich verdammt ernst!

Und wer meint, das ginge ihn alles nichts an, weil er in einer anderen Stadt lebt und so, dem sei gesagt: Du hast ja keine Ahnung, was dieser Laden in dieser Stadt hier bedeutet. Und: der Laden in dem Du großgeworden bist könnte der nächste sein, so denn er überhaupt noch existiert. Sie machen uns ein – überall. Mediaspree war nur der Anfang.

Wenn ich sage, dass der Laden es wert, erhalten zu werden, so wie er ist, dann kann man mir da vertrauen.
Also: Hin da und unterschreiben. Jetzt.

5 Kommentare

Was schert es den kleinen frechen Jungen, der im Hinterhof zu spielen pflegt, wenn der alte, gnatzige, unzufriedene Mann aus dem 5. Stock in den Hof brüllt, er solle doch gefälligst nicht so viel Lärm machen?

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Wenn man jünger ist, hat man mehr Biss. Man nimmt den ganzen Shice, der täglich auf einen niederprasselt nicht so ohne weiteres hin. Man ärgert sich, man regt sich auf, man ist bereit zu kämpfen für die Dinge, die einem wichtig sind. Die im Alter so gerne als „Gelassenheit“ benannte Fähigkeit über Sachen hinweg zu sehen ist nichts weiter als Faulheit, glaube ich. Nichts weiter als Resignation. Man kapituliert wenn man seinen eigenen Arsch an der Heizung weiß. Oder man macht Politik, was auf das selbe hinausläuft. Nichts Impulsives mehr, nochmal drüber schlafen und jede Menge Tee trinken. Soviel Tee, dass der Ärger darin ersäuft, sich so sehr verdünnt, dass man ihn nicht mehr sehen kann, nicht mehr spürt. Altersweisheit ist eine Illusion, die die Alten geschaffen haben, um sich selber im Spiegel ansehen zu können, ohne das ihnen der Brechreiz kommt. Nicht mehr – nicht weniger. Viel drüber reden, diskutieren auch, von mir aus auch schreiben. Nur ändern tut sich nichts. Alles bleibt anders, wird immer schlimmer und man nennt es Gelassenheit, Weisheit. Irgendwie ekelhaft.

Wo ist es hin, das Gefühl, dass es für eine gute Sache zu kämpfen sich lohnt, bei den Alten, bei uns, die wir noch nicht mal 40 sind. Kaufen, kaufen – Fressen, fressen.

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O, wie sehr ich sie nicht mag

Zugegeben, „nicht mögen“ wäre in diesem Zusammenhang ziemlich tiefgestapelt, eher empfinde ich immer so eine ungesunde Mischung aus Miss, – und Verachtung, wenn ich Eltern sehe, die mit ihren Kindern so reden, als sollte aus denen mal Soldaten werden, als wären die schon als US-Marines geboren worden, so reden, als seien sie die Befehlsgeber und die Kinder nicht mehr als Empfänger für die Anweisungen, die die Alten ihnen entgegen bellen. Ganz so als hätten die Kinder keinen eigenen Kopf zu haben, der ihnen die Richtung in die sie gehen wollen vorzugeben vermag. Komm her! Geh weg! Steh mir nicht im Weg rum! Setz dich! Steh auf! Sei leise! Geb Ruhe! Sag guten Tag! Halt die Klappe! Wenn ich dir sage! Hör auf! Mach Platz! Geh mir aus dem Weg! Hörst du schlecht? Bist du Taub? Mach den Mund zu! Komm mit! Bleib hier! Leg dich hin! Iss! Iss ordentlich! Iss alles auf! Mach das weg! Räum auf! Mach aus! Mach an!…

Diese Liste kann unendlich weitergeführt werden. Es ist als fehlen da einige Wörter im Stammwortschatz, als fehle etwas Erinnerung an die eigene Kindheit und daran, wie sehr man es selber gehasst hat, wenn die Alten einen verbal umher geschubst haben. So als verstehe man als Kind nur die wenigen Worte, die Befehle – so wie ein Hund.

Derlei Triaden hatte heute Morgen eine Mutter für ihre beiden Mädchen in der Bahn über. Hat sie immer. Mehr nicht. Kein Lächeln, kein liebes Wort immer nur Befehle. Der Gipfel war die Ansage, dass man nicht haut! Sprach es und versetzte der Kleinen einen Schlag auf den Po.

Und so als wolle die Mutter auch wirklich kein gängiges Berlin-Marzahn-Klischee auslassen, hießen ihre Kinder „Lucien“ und „Chayenne“. Wenn doch Namen alleine glücklich machen könnten… Das wäre fein.

Ganz tief könnte ich mir den Finger in den Hals stecken, wenn ich so etwas miterleben muss. Ganz tief… Um dann zu kotzen.

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Revolution nicht ohne Ticket

Sie muss Mitte dreizig sein und sitzt in der Haltestelle genau neben mir. Aus ihren guten, offenen Sennheiser-Kopfhörern ballert „Kopfüber in die Hölle“:

„Revolution – stand auf unseren Fahnen
Revolution – stand uns im Gesicht
Wir haben erlebt – was andere nicht mal ahnen
Revolution- weniger wollten wir nicht.“

So wie sie sich zurecht gemacht hat, könnte es sein, dass sie zu die Ärzte in die Wuhlheide will, die ab heute drei Abende am Stück die Wuhlheide in ein Pulverfass verwandeln wollen. Wie ich die kenne, wird ihnen das ohne weiteres gelingen.

„Revolution – wir wollten weg von der Masse
kopfüber in die Hölle und zurück
Heute stehst du – bei Herti an der Kasse
da ist keine Sehnsucht mehr in deinem Blick
du sagst man tut halt was man kann
und dir gehts gut du kotzt mich an!“

Die Tram fährt ein, alle Wartenden steigen ein. Sie verschwindet mit anderen im hinteren Teil des Wagons, dort gibt es die Tickets am Automaten. Die alten Damen, die von genau dort kommen, setzen sich gelassen, sehen aus den Fenstern. Sie setzt sich nervös in den vorderen Teil der Tram und dreht ihren Kopf noch nervöser zwischen Fahrerkabine und Ticketautomat hin und her. Nach zwei Stationen hält es sie nicht mehr auf dem Sitz und klopft an die Fahrerkabine: „Äh, hallo, ich würde mir ja gerne ein Ticket kaufen wollen, aber der Automat ist kaputt, wissen Sie? Was soll ich denn jetzt machen?“

Batsch.

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