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Kategorie: Täglicher Sinnwahn

Er sitzt eine Reihe vor mir und liest: „Gute Väter – Selbstbewußte Töchter“. Dabei sieht er alles andere als selbstbewusst aus. Er sieht auch nicht gut aus und ich frage mich, ob das dann wohl alles was taugen kann.

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Ich habe es echt probiert

Viel Geduld hatte ich, habe alles mögliche versucht, dass es irgendwie so läuft, wie ich mir vorgestellte hatte, das es laufen sollte. Im Netz habe ich gesucht, mich durch Foren und schlaue Beiträge geklickt, immer in der Hoffnung, dass ich irgendwie damit zu recht kommen könnte. Ich dachte echt, es liegt an mir, ich hätte irgendetwas falsch gemacht, was ja passieren kann. „Ist alles immer nur eine Sache der Einstellung“ hatte Inge mal zu mir gesagt. Ich habe ihm geglaubt. Echt. Ich befand mich als zu blöd dafür, und dachte, ich knacke das. Nachdem ich nun 1 Jahr lang probiert hatte, und heute im Endstadium gleich fünf mal den „blauen Bildschirm“ geshen habe, habe ich mich ernsthaft gefragt, was zum Teufel ich eigentlich mit Windows auf meinem Macbook will. Wozu das ganze, habe ich mich gefragt? Dann habe ich es gelöscht. Machs gut, Parallels Desktop. Du stinkst!

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7er

Sie parkt ihren niegelnagelneuen 7er BMW direkt vor der Bank, auf der ich sitze. Der riesige Kühlergrill starrt mir direkt ins Gesicht. Er erinnert mich an an das Gitter eines Löwenkäfigs, dahinter faucht es bedrohlich. Als sie aussteigt bin ich überrascht, wie klein sie ist. Sie ist Ende vierzig und trägt die Haare wie Petra Pau, nur dunkler. Dazu eine dieser avantgardistischen, eckigen Brillen. Als sie mit mir spricht entdecke ich das kleine, rote und dreieckige Parteiabzeichen der LINKEn auf dem Kragen ihrer Jeansjacke.

Die Zeiten ändern sich. Nichts ist mehr wie es mal war.

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Rotkreuzritter

Der Weg von der Tram in das Bahnhofsgebäude ist kein weiter und doch scheint er manchmal unüberwindbar. Eigentlich müsste ich nicht mal da rein, nur hin und wieder, wenn ich noch einen Kaffee holen will, ein Baguette oder Zigaretten, muss ich diese paar Meter gehen. Dann stehen sie da, als müssten sie das Gebäude bewachen und dürften keinen rein lassen, so wie damals die Grenzer an der Mauer. Sie nehmen ihre Aufgabe sehr ernst. Keiner kommt unangesprochen dort durch. Sie wollen Zeitungsabos verkaufen, suchen irgendwelche arme Irren, die sich zu einem Video-Bestellservicevertrag hinreisen lassen oder sammeln Spenden für rettet die Wale, den Tierschutz, Greenpeace, und was weiß ich noch alles. Man muss acht geben, wenn man unbemerkt an ihnen vorbeikommen will. Es kommt mir vor wie in einem Computerspiel das im Kriegsgebiet spielt, wo es ums eigene Überleben geht. Das ist nur dann gesichert, wenn man an seinen Gegnern unbemerkt vorbei kommt. Der Vergleich hinkt – zugegeben -, aber so fühle ich mich dann tatsächlich. Ich will die nicht sehen, ich will nichts von denen haben und ich will nicht von denen angesprochen werden. Ich brauche kein Zeitungsabo, will keine Videos auf Bestellung und auch in keinen Verein eintreten, obwohl ich das durchaus mal tun könnte, nur eben nicht am Bahnhof. Jeden Tag sage ich „Nein. Danke“. Dennoch fragen sie mich am nächsten Tag wieder danach. Ich komm mir vor, wie Bill Murray in Und Täglich grüßt das Murmeltier, nur das da alles irgendwie lustiger zu sein scheint. Meistens reicht ein „Nein, Danke“ oder „Kein Interesse“. Manchmal muss man auch etwas mehr sagen, um die abzuschütteln. Im Regelfall klappt das auch gut. Ideal ist es dann, wenn man Kopfhörer auf hat und man so tun kann, als höre man sie nicht.

Seit ein paar Tagen allerdings ist alles noch viel komplizierter geworden. Zu den ohnehin schon kaum überwindbaren Torwächtern hat sich nun auch noch das Rote Kreuz gesellt. Und das mit einer Offensivkampfbrigade, die auch als SEK unter den Zahlscheinsammlern durchgehen könnte. Man erkennt sie an ihren Jacken mit dem roten Kreuz. Dazu haben sie immer eine Schreibunterlage auf dem Unterarm, wo neben den wichtigen Infos auch immer gleich Verträge und Überweisungsträger stecken. Außerdem haben die wohl die sympathischsten Studenten für diesen Job gecastet, die Deutschland her zu geben hat. Die meinen es echt ernst. Sie arbeiten nach dem Staubsaugerprinzip, wobei sie die physikalischen Prinzipien eines solchen umdrehen und nicht den Staub, in diesem Fall Passanten, einsaugen, sondern sie saugen sich an die Passanten ran. An jeden Passanten. Wenn sie einen dann gestellt haben, halten sie den fest. Fest, wie ein Falke, der seine frisch erlegte Beute mantelt. Es gibt kein Entkommen.

Dann reden sie auf einen ein, so dass es im Kopf klingelt. Die Menschen haben keine Zeit, das wissen sie und reden deshalb besonders schnell. Ein „Nein, danke“ oder „kein Interesse“ akzeptieren sie nicht. Zumindest nicht so lange, bis sie alle ihre Sätze losgeworden sind. Aber auch dann wird es nicht leichter. Ich habe es versucht mit: „Keine Zeit. Mein Bus fährt gleich.“ Darauf meinte er: „Kein Problem, ich komme mit.“ Ahhhh. Das machte mir ein wenig Angst, das geht zu weit, ich brauche keine Busbegleitung mit Schreibunterlage auf dem Unterarm. Ich will auch nicht beim DRK eintreten, obwohl ich weiß, dass das wichtig und wahrscheinlich sogar richtig wäre. Ich will es nicht! Schon gar nicht vor dem Bahnhofsgebäude. Ich bin ihn dann losgeworden mit: „Ich muss das erst mit meiner Frau abklären, wissen sie?“ Zufrieden war er damit nicht und wollte sich mit mir am Bahnhof verabreden, um alles fest zu machen. Ich sagte okay. Ich weiß, dass das nicht wirklich die feinste Art ist, aber was soll man machen. Ich habe heute überlegt, ob ich auf der anderen Seite in den Bahnhof gehe, womit man sie umgehen könnte. Nur, dass sind 15 Minuten Umweg, was mir dann doch etwas übertrieben erschien. Also war es der tanz auf einem Minenfeld. Ich bin ihnen entkommen. Heute. Man muss geschickt agieren und konzentriert, nur dann hat man eine Chance gegen die Rotkreuzritter. Ritter deshalb, weil sie ja wirklich was Gutes, was Ritterliches zu tun bemüht sind.

Bald trete ich in einen Verein ein. Nicht ins Rote Kreuz, was allerdings bedeutet, dass ich für den Weg von der Tram in das Bahnhofsgebäude auch weiterhin täglich eine Strategie auszuarbeiten muss. Und täglich grüßt das Murmeltier.

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Wiedersehen

Heute war der Tag der Tage, ich bin eben mit ihm gefahren. Mit Hannes, wie ich mittlerweile aus zuverlässiger Quelle erfahren habe, den Busfahrer, den alle lieben. Es war ein sehr spektakelfreies Wiedersehen. Er tat so, als hätte er meine Nachricht nicht gefunden, übersehen. Ich konnte aber in seinen Augen sehen, das dem nicht so war. Er sah mich grimmig an, so wie John Rambo wenn seine Oberlippe zu zittern beginnt. Das war es schon. Er hatte heute andere Opfer. Die jungen Frauen, die nach mir einstiegen, hatte er gleich wieder belehrt und als sie sich setzten, erzählten sie sich gegenseitig von ihren Erfahrungen mit dem Mann. Es waren keine guten. Auf der gesamten Fahrt redete er wieder mal auf jeden zweiten Fahrgast ein. Er muss das wohl so haben. Man muss ja im Gespräch bleiben.

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Heute ein König – Morgen ein Arsch

Sie sitzen hinten im hinteren Teil des Busses, dort wo vier Leute sitzen können wobei man sich gegenübersitzt. Diese Viererplätze sind beliebt, weil man die Füsse auf die Sitzplätze gegenüber legen kann. Vorausgesetzt, der Bus hat keine Kameras. Die Fahrer nämlich tickern ausnahmslos alle aus, wenn sie hochgelegte Füsse auf ihre Monitore bekommen. Manchmal denke ich, sie seien nur dazu da, um Leute vollzuferzen, die ihre Füsse hochlegen, aber in den Zeiten, in denen in jedem Bus mindestens 37 Kameras das Geschehen zum Fahrer funken, werden auch die sich dann mal wieder aufs Fahren konzentrieren können.

Es sind zwei Männchen und zwei Weibchen, alle um die achtzehn Jahre jung. Es geht um ihre Perspektiven und darum, wie es denn nach der Schule weitergehen soll. Die Mädels wissen nicht so recht. Vielleicht FH, vielleicht Berlin, vielleicht gar keine Ahnung und erstmal gucken. Klingt nach kalkuliertem Nichtstun. Sehr sympathisch. Eines der Männchen hat sich für Tischler entschieden. Ja, geht. Tischler geht immer. Da kann man auch noch was draus machen, wenn man die Ausbildung fertig hat, denke ich mir. Warum er dafür nun dreizehn Jahre lang zur Schule gegangen ist, wird mir weder klar, noch wird es Thema der Runde. Das muss wohl heute so. Der angehende Tischler fragt das andere Männchen, wie viele Jahre es denn nun werden sollen als Uffz. „Machste acht, oder zwölf?“ fragt er den, der sich immer schon selber als den Kuhlsten der Runde betrachtete. Ich kenne die schon ein paar Jahre, ich fahre seit gut fünf Jahren diese Strecke, als sie noch Dreizehn waren und modisch genauso am Dorf orientiert, wie heute auch. Er war immer einer jener Männchen, die viel lauter vom Wochenende erzählen als nötig. So, dass auch der ganze Bus etwas von seinen Geschichten hatte. Das die keinen interessierten, interessierte ihn dabei kein bisschen. Alle sollten hören, was für ein unglaublich kuhler Typ er ist. Er machte jede Mode mit. Erst waren es Baggy-Jeans, dann der Softie-Iro mit Stränchen, später dann Jeans-in-die-Socken, Picaldi und Minikappe. Heute eben Berlin-Mitte Struwelschnitt und Pali-Tuch, wobei immer noch zu sehen ist, dass er eher vom Lande kommt.

Er also, der geile Typ, die alte Feiersau und seines Zeichens Schwerenöter hat sich beim Bund verpflichtet. „Für acht Jahre“, wie er sagt. „Es gibt einfach nichts anderes“, sagt er noch, was wie eine Rechtfertigung klingt, die er zu recht anbringt nur eben fälschlich begründet. Er sagt nicht, dass das der einfachste Weg für ihn sei, was ehrlicher gewesen wäre. Das alles andere schwieriger gewesen wäre, sparsamer, unsicherer sagt er ebenso wenig. Auch nicht, dass er nicht den Arsch in der Hose hat, sich durch die Jahre des Studiums zu beisen. Das könne „man da auch. Und zwar viel einfacher. Dazu noch werde das bezahlt. Die stecken einem alles in den Arsch und man bekommt noch Geld dafür.“, freut er sich. Ich sage ihm nicht, dass er bisher wohl eher versucht war, den Eindruck zu erwecken, als gehöre er nicht zu jenen, die sich gerne irgendetwas in den Arsch stecken lassen. Er versucht das so ziemlich Unkuhlste der Welt als kuhl zu verkaufen. „Nach ein paar Monaten könne er wieder in die Nähe.“, sagt er zwinkernd zu einem der Mädchen, die ihn eigentlich immer ein wenig anhimmelte. Bis heute. Sie will nach Berlin, vielleicht gar keine Ahnung und erstmal gucken. Kalkuliertes Nichtstun. Was soll sie auch mit einem Bundi? Er wird das nicht verstehen.

Draußen läuft R. vorbei, für den es wahrscheinlich weder zum Bund noch zur Ausbildungsstelle reichen wird. In diesem Moment erscheint selbst er mir kuhler, als der angehende Befehlsempfänger.

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Die drei vermeintlich hippen Mitzwangzigerinnen treffen sich erst vor der Deutschen Bank um gemeinsam Geld zu holen. Danach gehen sie zu H&M um jenes Geld gemeinsam auszugeben, was die vermeintliche Hippness ja auch wieder relativiert.

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Diese Blicke

Wenn man mit vier Kindern in der Öffentlichkeit unterwegs ist, erntet man allerhand vielsagende Blicke. Es spielt dabei gar keine Rolle, ob es deine eigenen sind oder nicht, was auch nicht immer ginge, wenn z.B. drei davon im selben Alter sind, aber das nur nebenbei. Manche merken es halt einfach nicht. Die Menschen schauen einen an und vergessen offenbar den Grundsatz, dass „Nichts ist, wie es scheint“. Sie ordnen dir die Kinder zu. Alle vier. Oder fünf, oder sechs. Je nachdem. Manche schauen mitleidig, andere erfreut, was am Gedanken an ihre Rente liegen muss. Das sind meistens Frauen der älteren Semester. Einige schauen regelrecht angewidert, mit der Frage in den Augen: „Pfui, wie kann man nur heutzutage?“.
Es ist alles dabei, aber fast immer glaubt man in diesen Blicken lesen zu können: „O mein Gott.“

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Auf der Suche nach

Im Supermarkt, der kein ordinärer Discounter ist, schlürfen zwei Osteuropäer durch die Gänge. Einer von ihnen hält einen kleinen Zettel in der Hand, als sei es eine Trophäe. Es ist der Pfandbon, der offenbar den Lohn ihrer heutigen Mühe sammelt und ein Stück vom so bunten Kosumleben für heute sichern soll. Sie stehen eine halbe Ewigkeit vor jedem Artikel, der nur irgendwie essbar erscheint und eine bestimmte Summe, wahrscheinlich die, die der Pfandbon hergibt, nicht überschreitet. So debattieren sie über Senf, vergleichen den Preis vom Bautz’ner mit dem vom Dijon, sehen sich mit wollenden Augen die Auslage des Kühlfachs an, in dem das Eis in Einzelportionen liegt und bleiben endgültig vor dem Regal stehen, dass die Süßigkeiten beherbergt. Ununterbrochen reden sie miteinander in einer Sprache, die ich nicht kenne und immer wieder weisen sie sich gegenseitig auf den Betrag hin, der auf dem Bon steht. Nicht im Streit, eher sehr demokratisch geht es zu bei den Beiden. Sie müssen von soweit östlich kommen, dass man ihre Herkunft irgendwie schon erst einmal mit Armut verbindet. Sie werden auch nichts klauen, sie werden so lange suchen, bis sie etwas gefunden haben, was vielleicht noch ein paar Cent für morgen übrig bleiben lässt und sie sich dennoch für den heutigen Tag belohnen können.

Sie bleiben länger in dem Laden als ich und vielleicht sind sie auch immer noch da, sind auf der Suche nach etwas, wovon sie selber nicht wissen, was das sein könnte. Als ich gehe, muss ich an jenen Tag denken, an dem ich im Herbst 89 mit meinem 2DM-Stück stundenlang durch Karstadt am Hermannplatz gelaufen bin, auf der Suche nach etwas, was mich in dem Moment glücklich machen könnte. Ich kaufte damals einen Sechser-Pack Cherry Coke und einen Füllfederhalter. Ich hoffe, auch sie konnten sich heute eine ähnliche Freude machen, wie ich damals.

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