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Lebensabschnittsfreundschaft

Als ich vor nun mehr fast 28 Jahren das erste Mal in die Kita kam, die damals „Kindergarten“ hieß, gab es da einen Jungen mit dem ich mich auf Anhieb gut verstand. Er war größer, etwas schlanker und überhaupt auch etwas niedlicher als ich. Dafür war ich schlauer und das passte ganz gut zusammen. Wir waren dann nicht nur in der Kita unzertrennbar sondern auch Nachmittags. Spielten Tom Sawyer und auch immer wieder Winnetou. Er verbrachte mehr Zeit bei seiner Oma als bei seinen Eltern, die ich genau so wenig mochte, wie diese mich. Sie waren sehr darauf bedacht, ein gutes Bild abzugeben in ihrer Umwelt, waren immer tadellos gekleidet und hatten äußerst gute Manieren. Ich schon damals nicht, was ein Grund dafür seine könnte, warum sie mich nicht mochten. Eigentlich war das egal, denn die Oma mochte mich um so mehr und das eigentliche zu Hause des Jungens war eben bei seiner Oma. Wir verbrachten eigentlich jeden Nachmittag miteinander, wenn nicht irgendetwas anderes anlag. Wir spielten damals beide lieber mit den Mädchen, als mit den anderen Jungs. Nicht etwa weil wir Puppen mochten, sondern weil wir die Mädchen einfach interessanter fanden als die Jungen.

Später dann kamen wir auf die selbe Schule, wohlgemerkt mit den selben Mädchen. Er ging in meine Parallelklasse und wir klebten immer noch zusammen wie Pech und Schwefel. Auch Nachmittags. Wir waren Freunde. So richtige Freunde. Wir wurden zu Blutsbrüdern, weil wir das im Fernseher gesehen hatten und hatten immer noch ein gemeinsames Interesse das höchste Priorität hatte; Die Mädchen mit denen wir uns nun auch Nachmittags verabredeten um so Dinge zu machen. Seine Oma brachte uns Rommé und Kanaster bei, bekochte uns (auch Schokopudding) und hatte außerdem irgendeinen Kontakt in den Westen, denn es gab bei ihr immer Duplo und Hanuta. Als wir dann 11 oder 12 Jahre waren, bauten wir uns bei meinen Oldies im Garten eine kleine Hütte in der wir fortan im Sommer immer wohnten. Wir luden uns Mädchen ein und machten so Dinge. Mit der Wende und der Umstrukturierung des Schulsystems von POS auf das dreigliedrige Schulsystem verloren sich unsere gemeinsamen Wege. Er ging auf die Realschule, auf der eigentlich nur die hingingen, die generell unkuhl waren, ich ging auf die Gesamtschule, denn da waren alle die, mit denen ich mir das entdecken, der damals neuen Freiheit spannender vorstellte. Auf das noch möglich gewesene Gymnasium gingen eh nur die Mädchen, oder die Jungen, die von weitem auch als Mädchen durchgingen. Der letzte gemeinsam verbrachte Sommer war dafür um so intensiver. Wir wollten beide das selbe Mädchen, obwohl wir nicht ein mal bisschen verliebt in sie waren, sondern aus rein hormonell bedingten Gründen. Er bekam sie. In diesem Sommer 1990 dann fuhren wir das erste Mal ohne Eltern in den Urlaub zu Verwandten von ihm, irgendwo bei Dresden. Wir soffen, quatschten schöne Studentinnen voll und ich entdeckte meine Faszination für Vinyl. Während ich die Vormittage da in einem kleinem Plattenladen verbrachte, machte er so Dinge mit irgendwelchen Mädchen, die er da kennen gelernt hatte. Ich kaufte mir „My Adidas“ von Run-DMC und „Fear Of A Black Planet“ von Public Enemy. Da es dort aber keinen Plattenspieler gab um die Dinger gleich zu tapen, saßen wir abends im Gästezimmer und hörten Sinead O´Connor, was den Mädchen immer imponierte. Zu Hause wartete das schon erwähnte Mädchen auf ihn, auf die wir beide scharf waren…
Als wir wieder zurückkamen, servierte er sie ab. Ich durfte sie dann trösten. Das traf sich ganz gut und hielt nicht lange an.
Später dann haben wir uns dann mal sporadisch getroffen und uns hin und wieder eingeladen, um dann doch abzusagen. Ich war verliebt in ein Mädchen, dass er nicht wirklich kannte. Nachdem er sie dann sah, wollte er sie auch, hatte aber keine Chance. Die Blutsbrüderschaft war vergessen und die als Tom Sawyer auf ewig geschworene Freundschaft ebenso. Es tat nicht mal weh, es war so. Wir hatten uns nichts mehr zu sagen. Er dachte an seine berufliche Karriere die nun bald beginnen sollte und ich dachte an mein Mädchen und an Musik. Aber einmal wollten wir nochmal zusammen auf Piste gehen. Ich war verstritten mit meinem Mädchen und er wollte mit mir gemeinsam ins Kino gehen, um mich abzulenken. Natürlich hatte er auch Mädchen eingeladen. Ich ging an diesem Abend zu dem Mädchen, die ehrlicherweise zu dem Zeitpunkt gar nicht mehr mein Mädchen war. Sie hatte Geburtstag und ich wollte ihr zur Erinnerung an mich ein Präsent da lassen. Wir machten es kurz. Ich ging nicht rein, sondern bat sie raus, um ihr das Geschenk überreichen zu können. Dann kam mein Freund. Ich verabschiedete mich von ihr und wusste in dem Moment ganz genau, dass es das gewesen ist. Dieses Mädchen würde ich nicht mehr zurückbekommen. Es tat weh. Aber gut, im Kino warteten ja schon andere auf uns. Ich stieg auf den Sozius seines Mopeds und wir fuhren los. Nach ca. 200 Metern riss die Kette und wir konnten nicht weiter. Kino war also gegessen, sein Moped im Arsch und der Abend auch nur angerissen. Ich entschloss mich dazu dann doch nochmal bei dem Mädchen vorbeizugehen. Sie lud ihre kompletten Geburtstagsgäste aus und fuhr mit mir auf den Ku’damm. Sie ist bis heute mein Mädchen und ohne diesen merkwürdigen Abend damals wäre sie es sicher nicht.
Das war es. Diese Freundschaft war ab diesem Abend Geschichte. Wir unternahmen nie wieder was zusammen. Was bleibt sind die kindlichen Erinnerungen, tiefgreifende Erfahrungen über Freundschaft und Liebe und ein unausgesprochenes Danke Schön an die Kette, die an dem Abend gerissen ist. das verbindet uns irgendwie auf ewig, obwohl er da nix zu beigetragen hatte.
Irgendwann im neuen Jahrtausend traf ich ihn zufällig nochmal. Er war zu einem öligem Typen geworden, der sein Geld damit verdiente, anderen Versicherungen zu verkaufen. Ich war auf der Suche nach dem Sinn in meinem Leben und verschwendete keinerlei Gedanken an so einen Quatsch wie Versicherungen. Ich mochte ihn nicht mehr, so wie er vor mir stand. Gel in den Haaren, in einem billigem Anzug wollte er mir die Welt erklären und ich wollte nichts davon hören. Er ging und ich sah ihm nicht mal hinterher.
Dennoch hatte ich in meinem Leben keine Freundschaft mehr, die dermaßen intensiv und offen war, – Partnerschaften mal ausgenommen. Er war der beste Lebensabschnittsfreund, den ich je hatte.

Ein Kommentar

  1. Maelicitas21. März 2007 at 21:54

    Danke nochmal an die Mopedkette die mich zur Besinnung brachte.

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