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Wer neben Wichsern wie diesen auf die Straße geht

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(Foto: Bailey Weaver, CC BY 2.0)

Als ich die letzten Monate nicht müde wurde, zu behaupten, dass sich seit den 90ern nichts geändert hätte, weil wir schon vor 20 Jahren, Mitte der 90er, regelmäßig von Neonazis durch die Kleinstädte im Brandenburger Land gejagt wurden, konnte ich nicht wissen, wie dünn die Decke der europäischen Normen- und Wertekalibrierung heute tatsächlich werden würde. Eine Handgranate vor einer Flüchtlingsunterkunft in Villingen-Schwenningen, die zum Glück, von wem auch immer geworfen, nicht hochgegangen ist.

Zwischen Dänemark und Schweden pa­t­rouil­lie­ren aktuell Neonazis, um Flüchtende am Grenzübertritt zu hindern. Bürgerwehrbullshit und so.

Die Liste, die Übergriffe auf Flüchtende sammelt, ist unerträglich lang.

2015 kam es zu einem massiven Anstieg der Gewalt gegen Flüchtlinge, zukünftige und bewohnte Heime und auch der Drohungen und Angriffe bis hin zu Morddrohungen, Steinwürfen und Brandanschlägen gegen Unterstützer, Hilfsorganisationen, Politiker aller etablierter Parteien, Kirchenvertreter, Behördenmitarbeiter und Journalisten

In meinem Potsdam marschieren Neonazis durch die Stadt, die eigentlich, nach eigener Aussage, keine solche sein wollen, deren Äußerungen aber klarmachen, dass sie nicht anderes sind als genau das: Neonazis. Welche, denen ihre mehr als nur knalltütigen Äußerungen mal wieder Prozesse wegen Volksverhetzung einbringen. Zu Recht und bisher zu wenig als solche intensiv wahrgenommen.

Wer mit Menschen wie diesen gemeinsam auf die Straße geht, macht sich mit ihren Ideen gleich; punkt. Wer neben Wichsern wie diesen auf die Straße geht, darf halt auch nicht jammern, wenn man sie „Besorgte Neonazis“ nennt. Im Gegenteil, sie lassen sich genau darauf ein: Teil dessen zu sein. Das ist der Deal derer, die und erzählen wollen, dass sie eigentlich so ja nicht sein wollen. Ihr Tun, allerdings, spricht eine andere, deutliche, mit PI-Bannern getragene Sprache.

Wir sollten das nicht zulassen. Mittelfinger hoch. Keinen Fuß­breit!

15 Kommentare

  1. itgoeson30. Januar 2016 at 01:26

    Word!

  2. Bernd30. Januar 2016 at 02:50

    genau so!

  3. antiantianti30. Januar 2016 at 03:22

    Fast Word. Nicht den Mittelfinger. Sondern die Fäuste. Und nicht hoch, sondern straightaärztemäßigmittenindiefresserein. In deinem(und früher mal meinem) Potsdam hatten Faschos und andere Hirnbefreite aufm Brodweg dank handfester Argumentation aus der hausbesetzten Gutenbergstrasse aber wirklich gahar nix mehr zu sagen. Damals eine der wenigen nationalbefreit-befreiten Zonen in Ostdeutschland.

  4. ThomasF.30. Januar 2016 at 08:07

    wahre worte…

    leider…

  5. Sina Nikolajew30. Januar 2016 at 10:50

    Das Erschreckende ist ja: Wen es jetzt trifft, ist doch „nur“ eine Mode, das ändert sich. Es ist Zufall, dass es jetzt nicht die Rothaarigen oder alle Biertrinker oder Hartz IV-Empfänger sind. Früher waren es die Juden, die „Zigeuner“, Homosexuelle, egal.

    Der Hass ist das Entscheidende, die Unmenschlichkeit, die Brutalität — und die Gleichgültigkeit, das Maulhalten, auch derer, die sich jetzt unbeteiligt fühlen, weil, uh, sie trifft’s ja nicht. Braver Deutscher, helle Haut, Glück gehabt.

    Es gibt dieses Zitat von Martin Niemöller:

    „Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Kommunist.
    Als sie die Sozialdemokraten einsperrten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Sozialdemokrat.
    Als sie die Gewerkschafter holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Gewerkschafter.
    Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte.“

    Und so halten jetzt auch viele den Mund, fühlen sich nicht betroffen, nur weil sie gerade nicht sind, und kapieren nicht, wie schnell sich das ändern kann. Gnade der Geburt, und so.

    — Mein bester Freund (Vater Ägypter, daher dunkelhäutig) wird im Prenzl’berg im Supermarkt bespuckt und als „Schei* Nordafrikaner“ beschimpft,
    — ein Kunde von mir, Doktorand, hat nach einer Prügelattacke seine Dissertation in Deutschland aufgegeben,
    — eine Freundin und Arbeitskollegin in Leipzig (zum Islam konvertiert und bekopftucht, mit jemenitischem Mann und daher dunkelhäutigem Kleinkind) gerät in Leipzig in die Legida-Demo vorletzte Woche und wird bedroht …

  6. Ben30. Januar 2016 at 14:19

    „Wer mit Menschen wie diesen gemeinsam auf die Straße geht, macht sich mit ihren Ideen gleich; punkt.“

    Genau! Und wenn ich auf der LL-Demo mitlaufe, mache ich mich mit den Ideen aller verschiedenen Bloecke, die dort dabei sind, gemein.

  7. frau frenzel30. Januar 2016 at 15:35

    und herr kraak hat natürlich die deutungshoheit darüber, wer ein nazi ist und wer nicht; punkt. wer so agiert, den werfe ich in einen topf mit marlene mortler. der von ihr gesetzte punkt war genauso frei von argumenten wie deiner.

  8. dmb30. Januar 2016 at 16:20

    Vortrag: Rückblick auf die rassistischen Mobilisierungen 2015

    „In der Veranstaltung werden zwei Referent/innen von deutschland demobilisieren! – einer Gruppe der NFJ Berlin – einen Überblick über die rassistischen Mobilisierungen des Jahres 2015 geben. Wer sind die Akteur_innen, wie haben sich die Aktionsformen verändert, was ist die Reaktion von Polizei, Justiz und Medien? Zudem soll Thema sein, wie sich die Artikulation des Mobs in einen gesamtgesellschaftlichen Rassismus einfügt und wie es um das Verhältnis von Mob und Staat bestellt ist. Für eine linke Antwort auf die rassistische Formierung werden vom Podium einige Strategie- und Aktionsvorschläge gemacht, die wir anschließend gemeinsam mit Euch diskutieren möchten!“

    https://www.mixcloud.com/demob/ein-%C3%BCberblick-auf-kaltland-die-v%C3%B6lkischen-bewegungen-demob-bei-vosifa-am-15122015/

  9. robotron sömmerda30. Januar 2016 at 17:37

    Ist ja richtig.
    Wir/Du brauchst mehr Artikel von der „anderen Seite“.
    Versuch mal in Berlin Sachsprenden abzugeben. Es wird (richtigerweise) nicht alles genommen, weil die Spendenbereitschaft in der Bevölkerung so groß ist, dass man nicht alles nehmen muss.

  10. danoerm30. Januar 2016 at 22:35

    du hast einfach nur recht. volle zustimmung

  11. Harry31. Januar 2016 at 17:10

    Ben,

    Sofern du dich nicht klar selbst positionierst und/oder dich von bestimmten Blöcken abgrenzt bzw. dich bewusst in einem bestimmten Block der genau das tut aufhälst, ja. Auf jeden Fall. So oder so muss man sich als Teilnehmer_in der LL Demo fragen, warum man mit so manchem autoritären Menschenfeind dort gemeinsam auf die Straße geht. Imho geht das dort entweder nur als Intervention oder eben garnicht.

    frau frenzel,

    Statt dessen ist dein Vorschlag, dass du definierst, wer ein Nazi ist und wer nicht? Diese Diskussion ist so Sinnbefreit, dass du den Vorwurf frei von Argumenten zu sein gerne selbst entgegennehmen darfst. Wen jemand für einen Nazi hält entscheidet diese Person grundsätzlich immer selbst. Dafür kann es mehr oder weniger gute Gründe geben. Im Vorliegenden Fall gibt es sehr viele sehr gute Gründe genau das zu tun.

  12. frau frenzel1. Februar 2016 at 12:27

    @harrry
    ich beteilige mich nicht an der relativierung des begriffes „nazi“. das betreiben andere schon zur genüge und zwar recht leichtfertig.
    aber um mal ein bisschen rabulistik zu betreiben: folgt man ronnys logik, ist er dann im umkehrschluss nicht auch ein gewaltbereiter und aggressiver randalierer, wenn aus den reihen der gegendemonstranten in potsdam flaschen, steine und böller auf demonstranten und polizei fliegen und menschen angegriffen werden? nur mal als kleine denkanregung, auch wenn es nicht in euer altruistisches weltbild passt.

  13. Stephan1. Februar 2016 at 14:58

    @frau frenzel

    Warum kritisieren sie das Weltbild anderer Menschen, ohne es zu kennen?
    Ich kann daran ehrlich gesagt keine gesunde Logik erkennen.

    Meine frage wäre jetzt, ab wann ist denn nun jemand nach Ihrer Auffassung ein Nazi?
    a) wenn er nichts gegen Nazis unternimmt
    b) wenn er mit Nazis auf Demos geht
    d) wenn er wie ein Nazi denkt aber nicht so spricht
    e) wenn er wie ein Nazi spricht aber nicht so denkt
    f) wenn er wie ein Nazi denkt und spricht
    g) wenn er Juden vergast

    Meine Frage wäre auch noch, was glauben Sie, ist momentan das größere Problem, die Relativierung des Begriffs „Nazi“? Oder eine schwelende stumme oder laute, breite Zustimmung in der Denkweise der Nazis bei der „Normalbevölkerung“, die dann motiviert bis in die nicht vorhandenen Haarspitzen Handgranaten in Heime werfen?

    Was hier eingefordert wurde, ist das Bekennen der Massen gegen den Fremdenhass und das Nichtmitlaufen mit denen, die das Gegenteil wollen.
    Dagegen kann kein logisch denkender Mensch ernsthaft etwas dagegen haben.

    Übrigens ist das ja grade der Sinn von Demos. Also als Masse eine gemeinsame Meinung kundzutun. Also wird man auch als einheitliche Masse wahrgenommen. Wenn das nicht so wäre, könnte man sich das Demonstrieren ja gleich sparen.

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