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Herrlich kitschig

und klischeedurchtränkt ist der immer noch lustige Artikel, den die Potsdamer Tageszeitung PNN mal über uns geschrieben hatte.

Das Kraftfuttermischwerk
Eine Geschichte über elektronische Musik aus dem Untergrund / Party am Sonnabend im Potsdamer Kesselhaus

von Patrick Steller

Ein kaltes Winterwochenende, das „sonnige Gemüter“ in den wärmenden Mantel einer alten, verlassenen Zigarettenfabrik in Pankow treibt. Dort, im Nordwesten Berlins, zelebrierten die Musiker des Kraftfuttermischwerks aus Potsdam ihren letzten Auftritt vor dem neuen Jahr. Eine GOA-Party mit dem Namen „Nataraya“, von Freitag Abend bis Montag Früh, das ein Sammelsurium skurriler Gestalten abseits des Massengeschmacks mit nur einem Ziel vereint: Die Nacht zum Tage machen. Sie alle geben sich der psychedelischen Elektronik-Musik hin, die ihren Namen von einem kleinen indischen Fischerdorf herleitet. Dort fanden sich im Jahre 1966 erstmals Hippies zusammen, um friedliche Partys mit einer Prise freier Liebe und einem Schuss „Goa-Trance“ fernab der westlichen Zivilisation zu feiern.

Der von Rauchschwaden geschwängerte Keller in Pankow wirkt wie ein Magnet für Unterschlupf Suchende, die bereit sind ihr ganzes Wochenende in den Dienst der Musik zu stellen. Frauen im Bikini fühlen sich hier, in der subtropischen Hitze, sichtlich wohl, denn im fernen Draußen wüten die ersten Vorboten des Winters. Da sitzen sie, unscheinbar zwischen den Menschenmassen: die Mitglieder des Kraftfuttermischwerks, ein DJ- Kollektiv das einst aus vier kreativen Soundbastlern bestand. Inzwischen wird es live nur noch von „Zottel“ (alias Nico Wawersig, 26 Jahre) und „Mealiciöüs“ (alias Ronny Kraak, 26 Jahre) vertreten. Beide lümmeln sich nervös an Zigaretten ziehend, auf ein paar mit Brandlöchern verzierten Ledersofas und blicken angespannt auf ihre Uhren. Es ist kurz nach Mitternacht, also schon Sonntag. „Noch knapp zwei Stunden, dann spielen wir“, sagt Mealiciöüs und zaubert eine Flasche Rotwein hervor, an der er zur Beruhigung nippt. Zottel, der auf einem anderen Sofa gegenüber sitzt, grinst in sich hinein und beobachtet aufmerksam die Menschen, die das ausladende Kellergewölbe stetig füllen. „Ich wundere mich, dass das Publikum so bunt gemischt ist“, sagt er. Früher, als er vor acht Jahren in die Szene eintauchte, seien viel mehr Freaks und Hippies auf Goa-Parties gewesen. Man habe damals eine intolerante Einstellung gegen „die Anderen“, die diese Musik augenscheinlich nicht hören sollten, entwickelt. „Doch heute ist alles viel liberaler. Ich auch“, grinst er.

Es gibt Probleme, sich gegenseitig in der Geräuschkulisse der übermächtigen, allgegenwärtigen Wellen des wummernden Basses zu verstehen. Aber das ist die Musik, die heute den ganzen Abend gespielt wird: laut, hart, aggressiv und gleichmäßig zwischen 135 und 143 Beats in der Minute peitschend. Das entspricht etwa einer Herzschlagfrequenz bei gesteigerter Anstrengung. Diese wuchtigen Klangcollagen werden immer wieder von entspannenden, sphärischen Klängen unterbrochen, die vollkommen taktfrei durch die Lautsprecher schleichen.

Auf die Frage, wie sie ihre Musik beschreiben würden, erklären beide, dass sie so ziemlich alle Spielarten der elektronischen Musik von aggressiven, schnellen Stilen wie „House“ oder Goa-Trance, bis langsameren und relaxten Stilen wie „Lounge“ oder „Chillout“ beherrschen. Man habe sich nie hingesetzt und bewusst versucht, einer bestimmten Richtung treu zu bleiben. Vielmehr ließ man sich von allen möglichen musikalischen Eindrücken im täglichen Umfeld, zu denen auch Rockmusik, Reggae oder Jazz gehören, inspirieren. „Man klaut, was einem gefällt“, erklärt Zottel augenzwinkernd.

„Angefangen hat es eigentlich mit zwei Plattenspielern“, plaudert Zottel aus dem Nähkästchen, als er und Mealiciöüs zwei Wochen nach dem Berliner Auftritt im Kraftfutter-Homestudio an neuen Liedern herumfeilen. Diese Plattenspieler gehörten Mealiciöüs, der 1993 das erste Mal auf einer Privatparty auflegte. Zwei Jahre später lernte er Zottel kennen und beide fingen an, zusammen Platten zu mixen. „Daraus ist Das Kraftfuttermischwerk dann entstanden. Denn in der Techno-Szene ist es nahe liegend, dass du als DJ, also Plattenaufleger, anfängst, auch dein eigenes Zeug zu produzieren“, so Mealiciöüs. „Als wir dann ’98 von Berlin aus nach Teltow gezogen sind, haben wir uns in meiner Wohnung eine kleine Ecke für unser Musikequipment eingerichtet und auf primitive Art und Weise angefangen zu komponieren“, resümmiert Mealiciöüs. Der Rest des Kraftfuttermischwerks setzte sich aus dem Teltower Freundeskreis zusammen, deshalb war es nahe liegend, sich bei Mealiciöüs zu treffen. Man hatte viel Geld in Musiktechnik investiert und war hochmotiviert, eigene Musik zu erschaffen. Zeitgleich wuchs der Kreis der „Mischwerker“ auf einer anderen Ebene: ein Dekorations-Team mit dem Namen „Psiloheads“ kam dazu. Der Kopf auch hier ein Teltower: Sven Kramer. Fortan wurden alle Open-Airs und Parties gemeinsam veranstaltet. So ist es bis heute geblieben.

Auf den Abend in Pankow zurückblickend, gibt Mealiciöüs zu: „Man hat gemerkt, dass die Arbeit mit dem Atari, einem Computersystem aus den 80ern, nicht mehr zeitgemäß ist.“ Man musste während des Auftritts auch Stücke von CD laufen lassen, da nur die Hälfte der Lieder in dem Speicher des Atari Platz fanden. Beide haben ihre Technik inzwischen komplett ans „digitale Zeitalter angepasst“ und nutzen alle komfortablen Vorteile eines PC. „Diesen Schritt hätten wir eigentlich schon vor zwei Jahren wagen sollen“, meint Mealiciöüs. „Ja, wir sind halt immer skeptisch gegenüber den neuen technischen Entwicklungen gewesen“, pflichtet ihm Zottel bei. „Weißt du, heutzutage gibt es ganz viele Menschen, die elektronische Musik am PC komponieren und es auch ganz geil machen“, erzählt Mealiciöüs. Aber man habe sich vor allem dafür interessiert, wie die Ersten mit dem alten, analogen Kram Musik produzierten. „Wir haben uns einen Atari gekauft, als alle anderen mit PC aufgenommen haben“, sagt er. Im Grunde genommen habe man die Techno-Geschichte neu aufgerollt.

„Im Januar wird es wieder eine eigene Party geben“, erzählt Mealiciöüs, „denn wir haben festgestellt, dass in Potsdam Bedarf an solchen Parties besteht. Obwohl es keine richtige Szene wie in Berlin gibt.“ Wieder soll ein altes, verlassenes Gebäude für ein stimmungsvolles Ambiente sorgen: das Potsdamer Kesselhaus in der Schiffbauergasse.

Aber nein, es war alles ganz anders damals in der „Raver-Höhle“. *hehe

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